Eine Reform der Bischofswahl steht vor hohen Hürden
Von einem historischen Moment sprachen Beobachter im Februar. Da hatte die Vollversammlung des Synodalen Weges zur Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland erstmals einen konkreten Reformbeschluss gefasst. Künftig sollen Laien bei jeder Wahl eines neuen Bischofs einbezogen werden. Ein knappes halbes Jahr später macht sich Ernüchterung breit. Laut einer Umfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) hat von 27 deutschen Bistümern bislang lediglich Paderborn einen Vorschlag zur Umsetzung des Beschlusses vorgelegt.
Aus den Antworten - bis auf Magdeburg beteiligten sich alle Bistümer an der Umfrage - lassen sich drei Tendenzen herauslesen: Einige Verantwortliche spielen auf Zeit mit der Begründung, dass in naher Zukunft keine Bischofswahl anstehe. Aus anderen Bistümern ist zu hören, dass bereits in der Vergangenheit einzelne Laien in den Prozess der Bestellung eines neuen Bischofs eingebunden gewesen seien. Und schließlich gibt es nicht wenige Bistümer, die rechtliche Bedenken geltend machen, die gegen eine Umsetzung des Synodalbeschlusses sprächen.
In Deutschland ist die Wahl eines Bischofs durch das Kirchenrecht und Verträge zwischen dem Heiligen Stuhl und Bayern, Baden und Preußen geregelt. Diese Konkordate wurden vor rund 100 Jahren geschlossen. Demnach erstellen die Domkapitel und die Bischöfe Kandidatenlisten für den Apostolischen Stuhl. Nach dem Bayerischen Konkordat wählt der Papst aus diesen Listen einen Bischof frei aus. Nach dem Badischen und dem Preußischen Konkordat erstellt der Papst eine Dreierliste, aus denen das Domkapitel in freier und geheimer Abstimmung einen Bischof wählt. Der gesamte Vorgang unterliegt dem "Päpstlichen Geheimnis", will heißen, dass über den Wahlvorgang nichts nach außen dringen darf.
Der Synodale Weg will dieses Verfahren nun aufbrechen. In dem dreiseitigen Papier mit dem Titel "Einbeziehung der Gläubigen in die Bestellung des Diözesanbischofs" ist die Rede davon, dass ein in jedem Bistum zu installierender Synodaler Rat ein Gremium wählt, das ebensoviele Mitglieder wie das jeweilige Domkapitel zählt. Dieses Gremium soll das Domkapitel "bei der Wahrnehmung seiner Rechte im Prozess der Bischofsbestellung" unterstützen. Eine "Musterordnung" soll dabei helfen, diese Form der Mitwirkung als freiwillige Selbstverpflichtung der Domkapitel festzuschreiben.
Ein erstes Problem: Den Synodalen Rat im Sinne des Synodalen Weges gibt es bislang nirgends. Und wer bis wann eine Musterordnung erstellt, ist laut Auskunft der Bischofskonferenz völlig offen, "da wir uns mitten im Prozess des Synodalen Weges befinden". Das aus 14 Mitgliedern bestehende Domkapitel im Erzbistum Paderborn ist deswegen einen eigenen Weg gegangen und will eine Gruppe von 14 Laien an der Ausarbeitung der Vorschlagsliste mit Kandidaten beteiligen. Neun Mitglieder der Gruppe sollen aus den Gemeinden kommen und per Los ernannt werden; drei sollen vom Diözesanpastoralrat und je eine von der Diözesankonferenz der Katholischen Schulen sowie vom Caritasverband benannt werden.
Kirchenrechtler wie Norbert Lüdecke halten den Vorstoß für unausgegoren. Die Mitwirkung von Laien sei "ein Zugeständnis auf Widerruf" und habe mit echter Mitbestimmung wenig zu tun. So könnten den Regeln zufolge die Laien in diesem Modell keinen Kandidaten gegen das Domkapitel durchsetzen. Denn sowohl eine Mehrheit der 28 Personen als auch allein eine Mehrheit des Domkapitels muss dieser Liste zustimmen. Davon abgesehen sei der Papst in keiner Weise an diese Liste gebunden, sondern habe sie nur zu "würdigen", betont Lüdecke. "Der Pool, aus dem der Papst auswählt, ist viel größer als die Liste des Domkapitels".
"Päpstliches Geheimnis" müsste ausgeweitet werden
Das Zwischenfazit des Kirchenrechtlers: "Hier setzt sich das Täuschungssyndrom des Synodalen Weges fort. Kleriker gestehen Laien rechtsunverbindlich zu, am name-dropping für Listen beteiligt zu werden, an die niemand gebunden ist. Man vermittelt das Gefühl von Wichtigkeit, wo die Belanglosigkeit greifbar bleibt. Selbstbewusste Laien sollten es für unter ihrer Taufwürde halten, an so etwas mitzuwirken."
Wie schaut es bei der eigentlichen Wahl aus? Laut Beschluss des Synodalen Weges soll das Laiengremium den Domkapiteln, für die das Badische oder das Preußische Konkordat gilt, eine Wahlempfehlung für die vom Papst erstellte Dreierliste geben. Das setzt voraus, dass die Laien Kenntnis von dieser Liste erhalten. Dem wiederum steht das "Päpstliche Geheimnis" entgegen, das auf diese Gruppe ausgeweitet werden müsste. Um das Domkapitel als Wahlgremium zu ersetzen, wären die Konkordate zu ändern, also diplomatische Verhandlungen zwischen dem Heiligen Stuhl und den Bundesländern als Nachfolgestaaten von Preußen und Baden erforderlich. Und es würde einen Sinneswandel im Vatikan erforderlich machen.
Beides hält Lüdecke für sehr unwahrscheinlich. Er verweist auf ganz ähnliche Bestrebungen zur Reform der Bischofswahl in Österreich in den 1990er-Jahren. Diese habe Rom damals für rechtswidrig erklärt. Anhaltspunkte für eine Änderung dieser Haltung gebe es nicht. "Der Heilige Stuhl will nicht mit Gruppenvoten konfrontiert werden - und schon gar nicht mit Voten von Laiengremien." Laien streng geheim zu einzelnen Kandidaten zu befragen, steht allein im Ermessen des Apostolischen Nuntius.
Das Bistum Eichstätt bringt die Sache so auf den Punkt. Das Domkapitel fühle sich weiterhin "an die Vorgaben des allgemeinen Rechts und des Bayerischen Konkordats" gebunden. "Diese Vorschriften sehen nicht vor, dass Priester, die dem Domkapitel nicht angehören, oder Laien bei der Erstellung der Listen mitentscheiden." Eine Änderung könne nur auf Initiative der Nuntiatur erfolgen.
Trotzdem dürften spätestens nach der Sommerpause die Drähte zwischen den Verantwortlichen heiß laufen. Der Synodale Weg geht im September in die nächste Runde. Der Erwartungsdruck ist groß. Hinter den Kulissen fällt immer wieder der Name des Paderborner Professors Rüdiger Althaus. Sein Spezialgebiet: "eine umfassende kirchenrechtliche Beratertätigkeit für diverse kirchliche Rechtsträger".
Im Erzbistum Paderborn dürfte es wohl bald zum Schwur kommen, weil Erzbischof Hans-Josef Becker aus Altersgründen Papst Franziskus seinen Rücktritt angeboten hat. Es ist mutmaßlich die erste Wahl, die nach dem synodalen Reformbeschluss ansteht.