Schwangerschaftsabbruch dürfe nicht als regulärer Eingriff behandelt werden

ZdK-Präsidentin: Abtreibungen flächendeckend ermöglichen

Veröffentlicht am 13.07.2022 um 16:40 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Es sei sicherzustellen, dass ein Schwangerschaftsabbruch flächendeckend ermöglicht werde, fordert ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp. Doch er dürfe nicht als regulärer Eingriff behandelt werden – und die Beratungspflicht dürfe nicht angetastet werden.

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Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, fordert ein größeres Angebot für Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland. Zugleich betont sie, dass ein Schwangerschaftsabbruch aus Sicht des ZdK nicht als reguläre medizinische Dienstleistung betrachtet werde: "Es ist kein regulärer Eingriff, und darf auch nicht als solcher behandelt werden", schreibt Stetter-Karp in einem Gastbeitrag für die "Zeit"-Beilage "Christ und Welt" (Donnerstag).

Es sei "sicherzustellen, dass der medizinische Eingriff eines Schwangerschaftsabbruchs flächendeckend ermöglicht wird". Insbesondere im ländlichen Raum sei das derzeit aber nicht der Fall, so die ZdK-Präsidentin. Eine Diskussion über die Sicherung des Angebots müsse auch die medizinische Ausbildung umfassen.

Zielorientierung und Ergebnisoffenheit berücksichtigen

Stetter-Karp verweist als Maßgabe für die Beratung auf das seit 1995 bestehende Schutzkonzept einer doppelten Anwaltschaft für Mutter und Kind. Die Beratung erfolge einerseits mit dem Ziel, Perspektiven für ein Leben mit dem Kind aufzuzeigen, auch im Fall einer Behinderung. Andererseits sei die Beratung "ergebnisoffen", die Entscheidung liege letztlich bei der Schwangeren. "Das Leben eines Kindes lässt sich nur schützen, wenn die Mutter selbstbestimmt JA zu ihrem Kind sagen kann", betont die Präsidentin des Katholiken-Komitees. Sie fügt hinzu: "Auch wenn das ein Widerspruch zu sein scheint: Zielorientierung und Ergebnisoffenheit zu berücksichtigen trägt dazu bei, das Recht auf Leben und das Recht auf Selbstbestimmung gleichermaßen zu garantieren."

Die Abschaffung des Paragrafen 219a, der ein Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche beinhaltete, bewerte das ZdK generell positiv, so Stetter-Karp. Die Debatte um die Streichung des Paragrafen habe jedoch gezeigt, dass der Schutzaspekt in vielen politischen und gesellschaftlichen Diskussionen zunehmend an Bedeutung verliere. "Wir vertreten aber, dass dies kein Türöffner sein darf, das Schutzkonzept auszuhebeln."

Bild: ©Direk Takmatcha/Fotolia.com (Symbolbild)

Eine Abtreibung sei "kein regulärer Eingriff, und darf auch nicht als solcher behandelt werden", betont ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp.

Die katholische Deutsche Bischofskonferenz hatte die Streichung von 219a hingegen kritisiert. Sie hatte sich für dessen Erhalt sowie eine Überarbeitung des Paragrafen zur weiteren Verbesserung der Informationslage der Frauen eingesetzt.

Nach der Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen hatte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) Änderungen in der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten gefordert. Zudem zeigte sie sich grundsätzlich offen dafür, auch den Abtreibungs-Paragrafen 218 anzugehen: Schwangerschaftsabbrüche gehörten nicht ins Strafgesetzbuch, sagte Paus Anfang Juli. Allerdings wolle sie einer von der Ampel-Koalition geplanten Expertenkommission zu diesem Thema nicht vorgreifen.

Verpflichtende Beratung habe sich bewährt

"Paragraf 218a darf unter keinen Umständen in seiner Substanz angetastet werden", betonte dagegen die ZdK-Präsidentin. Die verpflichtende Beratung als Voraussetzung für eine straffreie Abtreibung habe sich in der Praxis in den vergangenen Jahrzehnten bewährt. Zugleich sei die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche zwischen 2011 und 2021 im Zehnjahresvergleich um 13,1 Prozent gesunken.

Die katholische Schwangerschaftsberatung wird laut Stetter-Karp auch von vielen Frauen außerhalb des christlichen Spektrums konsultiert. So lag der Anteil muslimischer Frauen, die das Angebot nutzten, im Jahr 2019 bei 36,2 Prozent. Im Vergleich dazu seien 40,1 Prozent der Frauen Christinnen, davon 27,5 Prozent Katholikinnen. In katholischer Trägerschaft wurden demnach im Jahr 2019 an bundesweit 580 Standorten über 110.000 Frauen beraten. Die Zahl der Hilfesuchenden sei über mehrere Jahre um 20 Prozent angestiegen und zuletzt stabil geblieben Während der Kontaktbeschränkungen in der Corona-Pandemie sei das digitale Beratungsangebot genutzt worden. Zwar stellten die katholischen Beratungsstellen seit 2001 keine Beratungsnachweise mehr aus, die nach Paragraf 218a einen straffreien Schwangerschaftsabbruch ermöglichen. Dennoch böten sie weiterhin Beratung im existenziellen Schwangerschaftskonflikt an, so die ZdK-Präsidentin.

Stetter-Karp gehört zu den Mitbegründerinnen des Vereins Donum Vitae, der Schwangerschaftskonfliktberatung anbietet und Beratungsscheine ausstellt, die nach Paragraf 218a einen Schwangerschaftsabbruch ermöglichen. Der Verein war 1999 von ZdK-Mitgliedern gegründet worden, als die Deutsche Bischofskonferenz beschloss, sich aus dem gesetzlichen Beratungssystem zurückzuziehen. (KNA)

14.7., 15:00 Uhr: Ergänzt um weitere Details und den Link zum Originalbeitrag.