Liberale Stadt in konservativem Umfeld

Wie Salt Lake City vor 175 Jahren zum Zentrum der Mormonen wurde

Veröffentlicht am 24.07.2022 um 12:30 Uhr – Lesedauer: 

Salt Lake City ‐ Ein Bundesstaat gegründet auf Religion – Utah ist in den USA und der Welt bis heute vor allem als Hochburg der Mormonen bekannt. Doch in der Hauptstadt am Großen Salzsee hat sich die Kultur inzwischen gewandelt.

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Joseph Smith (1805-1844) zählt zweifellos zu den schillerndsten Figuren der US-amerikanischen Glaubenswelt. Als Prophet übersetzte er 1827 angeblich aus goldenen Tafeln, zu denen der gottgesandte Engel Moroni ihn geführt haben soll, das Buch Mormon und legte damit den Grundstein für die gleichnamige christliche Glaubensgemeinschaft der Mormonen. Mit seinen Gefolgsleuten der von ihm gegründeten Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage zog er durch das Land, auf der Suche nach einer Heimat für die junge Kirche. Doch sollte er keinen Erfolg damit haben: 1844 wurde er von einer aufgebrachten Menschenmenge ermordet – während er sich im Präsidentschaftswahlkampf befand.

Nach Smiths Tod übernahm der "älteste Apostel" Brigham Young (1801-1877) die Führung der Gemeinschaft. Der "neue Moses" streifte mit seinen Glaubensbrüdern durch das ganze Land, bis in ein damals noch fast unbewohntes Gebiet in den Rocky Mountains. Dort zwischen den Bergen, am großen Salzsee, ließen sich die Mormonen nieder und gründeten am 24. Juli 1847 Salt Lake City.

Die US-Regierung beobachtete die Gemeinschaft zunächst mit Argwohn

Doch war es zunächst durchaus schwierig, offiziell Anerkennung für die Gründung zu finden. Das begann schon beim Streit um den Namen: Nach Wunsch der Gemeinschaft hätte dieser Deseret lauten sollen, unter Bezugnahme auf das Wort aus dem Buch Mormon, das übersetzt Bienenstock bedeute; eines der wichtigsten mormonischen Symbole. Die US-Verfassung verbot solche religiösen Benennungen aber, weshalb es zur Einigung auf den Namen Utah kam, nach dem im Gebiet ansässigen Stamm der Ute. Doch lebt der Bienenstock als Symbol für die mormonische Idealgemeinschaft bis heute im Wappen des Bundesstaates fort.

Ab 1850 begannen die Mormonen, gezielt ihre Anhänger von überallher an den Salzsee zu lotsen. Dem Aufruf folgten nicht wenige Gläubige, wodurch in der US-Regierung ein gewisser Argwohn hervorgerufen wurde. Gerüchte basierten darauf, dass Young – inzwischen auch Gouverneur – einen eigenen Staat anstrebe. Zudem war die unter den Mormonen damals noch übliche Vielehe den protestantischen Eliten in Washington suspekt. Im Utah-Krieg setzte die Regierung von Präsident James Buchanan (1857-1861) dem Bundesstaat schließlich mit militärischen Mitteln einen neuen Gouverneur vor. Die unmittelbare politische Macht der Mormonen war damit gebrochen.

Bild: ©dpa

Der Engel Moroni mit seiner Posaune steht auf vielen Tempeln der Mormonen, die sich "Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage" nennen. Der Prophet Moroni soll dem Gründer der Mormonen, Joseph Smith, von 1823 bis 1827 als Engel erschienen sein.

Dennoch blieben sie die gesellschaftlich herrschende Kraft in Utah – und prägen den Staat bis heute. Rund 60 Prozent der Bevölkerung bekennen sich zur Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, in manchen Gegenden sogar noch über 90 Prozent. Utah ist damit einer von wenigen US-Bundesstaaten, in denen eine einzelne Konfessionsgruppe die Bevölkerungsmehrheit stellt. Wegen der ländlichen und religiösen Prägung gilt Utah zudem als Hochburg der Konservativen. Seit den 1960er Jahren ist der Bundesstaat fest in der Hand der Republikaner.

Doch in der Hauptstadt Salt Lake City hat sich die Situation inzwischen gewandelt. Nurmehr knapp die Hälfte der Bevölkerung gehört den Mormonen an. Statt von konservativen Republikanern wird die Stadt von liberalen Demokraten regiert und gilt als besonders aufgeschlossen für Anhänger der Schwul-Lesbischen-Szene.

Von der mormonische Dominnanz zeugt auch das Stadtbild

Von der mormonischen Dominanz zeugt noch das Stadtbild: Das ist – wie in den USA üblich – in Rechtecken angelegt und auf den rund 40.000 Quadratmeter großen Temple-Ground ausgerichtet, der sich im Privatbesitz der mormonischen Gemeinde befindet. In dessen Zentrum erhebt sich der eindrucksvolle Salt-Lake-Tempel, der weltweit größte Sakralbau der Mormonen, dessen Grundstein Young schon 1853 gelegt hatte. Die im Stil des Historismus errichtete Front mit drei Türmen ist eines der markantesten Gebäude der Stadt.

Seine Fassade schmückt unter anderem der Bienenstock, das Symbol von Staat und Kirche. Auf der Spitze des mittleren und höchsten Turmes steht der Engel Moroni, der mit seiner Posaune die Wiederkunft des Gottessohnes ankündigt – bis diese 2020 in Folge eines Erdbebens herabstürzte. Danach wurde der knapp 2,5 Tonnen schwere Engel von der Turmspitze entfernt und wartet seitdem auf seine eigene Wiederkehr.

Von Johannes Senk (KNA)