Anglikaner suchen Kompromiss beim Thema Homosexualität
Die Debatte beim anglikanischen Weltbischofstreffen "Lambeth-Konferenz" zum Thema Homosexualität war mit Spannung erwartet worden. Am Dienstagabend diskutierten die 650 Bischöfinnen und Bischöfe aus 165 Ländern in Canterbury über den sogenannten "Lambeth-Aufruf" zur Menschenwürde, der diese Fragen umfasst.
Dass die Veranstaltung ohne Proteste, aber auch ohne greifbares Ergebnis blieb, überrascht kaum. Denn zum einen ist die alle zehn Jahre tagende Lambeth-Konferenz rechtlich nicht bindend für die 42 Kirchenprovinzen. Zum anderen sind Anglikaner-Primas Erzbischof Justin Welby und sein Team peinlich bemüht, irgendwie Einheit zu wahren in dem eher amorphen Gebilde "Anglikanische Gemeinschaft".
"Dies ist eine der wichtigsten Sitzungen dieser Konferenz", erklärte der Erzbischof von Canterbury eingangs. Die Frage, was jeder einzelne über das Thema Sexualität glaube, sei zutiefst spaltend, "nicht nur für Anglikaner, sondern für jeden Teil von Gottes globaler Kirche". Eindringlich warb Welby um Ehrlichkeit und Verständnis der Bischöfe untereinander.
Kirche in Deutschland ringt um ähnliche Themen
Denn dass die Geistlichen, deren Mehrheit aus Ländern des globalen Südens stammt, jeweils ihren eigenen soziokulturellen Hintergrund in die Frage einfließen lassen, ob es homosexuelle Priester und Bischöfe sowie kirchlichen Segen für gleichgeschlechtliche Ehen geben sollte, liegt auf der Hand. Dass sich LGBT-Personen schon von dieser Fragestellung diskriminiert fühlen mögen, ebenso. Die katholische Kirche namentlich in Deutschland ringt gerade beim Reformprozess Synodaler Weg sowie mit Initiativen wie OutInChurch um ähnliche Themen.
Welby versuchte mit seiner Einführung, die Bischöfe näher zusammenzubringen, indem er die Aufrichtigkeit und theologische Stringenz beider Lager rund um den Umgang mit LGBT-Menschen in der Kirche betonte. Eine Mehrheit der zwischen 77 und 85 Millionen Anglikaner sei zutiefst davon überzeugt, dass allein die Ehe zwischen Mann und Frau von Gott gewollt sei. Aber andere seien "nicht leichtfertig zu ihrer Idee gekommen, dass die traditionelle Lehre geändert werden muss", so der Erzbischof. "Lasst uns also nicht leichtfertig oder nachlässig miteinander umgehen", sagte Welby. "Wir sind tief gespalten. Das wird nicht bald enden", bekräftigte er. "Wir sind von Christus selbst sowohl zur Wahrheit als auch zur Einheit berufen." Für seine Rede erhielt der 66-jährige frühere Ölmanager, der seit 2013 Ehrenprimas der Anglikaner ist, Standing Ovations.
Erzbischof Thabo Makgoba, Vorsitzender der Vorbereitungsgruppe der Lambeth-Konferenz, stellte mit Blick auf das Procedere klar, dass die Bischöfe beim Aufruf zu diesem heiklen Thema nicht um mündliche, sondern nur schriftliche Rückmeldungen gebeten würden. Anträge zum Aufruf, etwa nach Einrichtung einer erzbischöflichen Versöhnungs-Kommission, sollen bei einer späteren Sitzung in der bis Sonntag dauernden Lambeth-Konferenz behandelt werden. Ohnehin sind die Bischöfe gehalten, Argumente und Gedanken anschließend mit den Gläubigen in ihren Diözesen zu diskutieren. Ebenso soll das Thema auf die Tagesordnung bei der nächsten Sitzung des Anglican Consultative Council (ACC) nächstes Jahr in Accra (Ghana) kommen.
Manche geben sich damit aber nicht zufrieden. Am Nachmittag hatten konservative Bischöfe der Global South Fellowship of Anglican Churches (GSFAC), die für 23 Provinzen vor allem aus Afrika und Asien steht, bekanntgegeben, dass sie die bei der Lambeth-Konferenz von 1998 verabschiedete Resolution erneut festgeschrieben sehen wollen. Darin wird bekräftigt, dass allein die Ehe zwischen Mann und Frau biblisch sei und dass unverheiratete Menschen auf Sex verzichten sollten. Im offiziellen Konferenz-Procedere waren sie damit nicht durchgedrungen. Deshalb bitten sie jetzt gleichgesinnte Bischöfe aus der gesamten Anglikanischen Gemeinschaft um ihre Unterstützung. Per Email sollen sie mit "Ja" stimmen.