Verfassungsgericht hatte kolumbianisches Erzbistum zu Herausgabe verpflichtet

Zurückhaltung von Informationen zu Missbrauch: Erzbischof droht Haft

Veröffentlicht am 26.08.2022 um 15:14 Uhr – Lesedauer: 

Medellín ‐ Im Juni hatte das Verfassungsgericht von Kolumbien ein Erzbistum zur Herausgabe von Informationen zu Missbrauchsfällen an einen Journalisten verpflichtet. Das scheint bislang nur teilweise geschehen zu sein – weshalb dem Erzbischof nun Haft droht.

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Dem kolumbianischen Erzbischof Ricardo Tobón Restrepo droht eine Haftstrafe, weil er Informationen zu mehr als 900 Priestern seines Erzbistums Medellín in Bezug auf Missbrauchsanklagen trotz eines Gerichtsbeschlusses nicht herausgegeben haben soll. Der Journalist Juan Pablo Barrientos, der laut dem Verfassungsgericht des Landes die angeforderten Informationen erhalten darf, hatte Tobón angezeigt, berichteten örtliche Medien am Donnerstag (Ortszeit). "Niemand steht über dem Gesetz", begründete Barrientos seine Anzeige. Der Journalist beschäftigt sich seit Jahren mit kirchlichen Missbrauchsfällen in Kolumbien und veröffentlichte dazu die beiden Bücher "Lasset die Kinder zu mir kommen" und "Seht, das Lamm Gottes".

Im Juni hatte der Journalist vor dem kolumbianischen Verfassungsgericht einen Prozess gewonnen, der ihm zum Zweck seiner Recherchen zu Missbrauch in der Kirche Zugang zu Informationen des Erzbistums Medellín gewährte. Obwohl Tobón nur 48 Stunden für die Freigabe hatte, meldete sich der Erzbischof erst gestern öffentlich zu Wort. In einem Video erklärte er, die Informationen zu den 915 Geistlichen aus den vergangenen Jahrzehnten nicht ausgehändigt zu haben. Als Begründung führte Tobón Rückfragen an das Verfassungsgericht bezüglich des Urteils an, die das Erzbistum zwei Wochen zuvor an das Gericht gerichtet hatte.

Das Erzbistum werde die angeforderten Informationen an Barrientos übergeben, wenn das Verfassungsgericht die offenen Fragen geklärt habe, so Tobón. Man werde die Verpflichtung erfüllen, bei der Aufklärung von Missbrauch zusammenzuarbeiten und der Wahrheit zum Sieg verhelfen. Der Erzbischof warf Barrientos zudem vor, "eine böswillige Kampagne gegen die Kirche" zu fahren. Der Journalist wiederum bezeichnete die Aussagen des Erzbistums Medellín als "Verzögerungsstrategie", um die Missbrauchstäter zu schützen. Inzwischen wurde bekannt, dass Tobón einen Teil der angeforderten Informationen zu den Missbrauchsanzeigen gegen Priester an Barrientos übergeben hat. Laut Informationen der kolumbianischen "Stiftung für die Pressefreiheit" sei der Erzbischof dabei jedoch nur auf 36 Geistliche eingegangen. (rom)