Viele Kirchenmitglieder ließen sich nicht mehr trauen

EKD-Ratsvorsitzende: Lindner-Hochzeit verdeckt "echtes Problem"

Veröffentlicht am 27.08.2022 um 10:49 Uhr – Lesedauer: 

Frankfurt ‐ Obwohl beide keine Kirchenmitglieder sind, ließen sich Christian Lindner und seine Frau kirchlich trauen. Daran gab es viel Kritik. Doch die Aufregung um die Hochzeit verdecke ein tatsächliches Problem, sagt EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus.

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Nach Ansicht der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, verdeckt die Aufregung um die kirchliche Trauung des Nicht-Kirchenmitglieds und Finanzministers Christian Lindner (FDP) ein tatsächliches Problem. Dieses liege nicht darin, dass sich einige wenige Nicht-Kirchenmitglieder kirchlich trauen ließen, sondern darin, dass sich heute viele Kirchenmitglieder nicht mehr kirchlich trauen ließen, schreibt Kurschus im Magazin "chrismon" (September-Ausgabe).

Der Anteil der Trauungen ohne Kirchenmitgliedschaft sei äußerst gering und liege nur bei etwa vier von tausend Trauungen. "Der Größe der Aufregung steht also die zahlenmäßige Winzigkeit des Problems gegenüber", so die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen. Nichtmitglieder fragten "kaum noch nach Gottes Segen" und bevorzugten stattdessen kommerzielle private Dienstleister.

Frage "darf uns nicht egal sein"

"Ein echtes Problem ist allerdings, dass auch viele Kirchenmitglieder sich nicht mehr kirchlich trauen lassen", betonte die EKD-Ratsvorsitzende. Die Frage, wie die Kirche auf getaufte Menschen reagiere, die sich von der Kirche abwenden oder sie bereits verlassen hätten, "darf uns weder egal sein noch lässt sie sich stumpf mit Kirchenrecht klären", so Kurschus. Daher rühre die Idee der Nordkirche, "sich in einer Erprobungsphase mehr für Menschen zu öffnen, die sich der Kirche entfremdet haben – auch für Nichtmitglieder".

Lindner (43) hatte am 9. Juli in der evangelischen Kirche Sankt Severin auf Sylt die Journalistin Franca Lehfeldt (32) geheiratet. Beide sind keine Kirchenmitglieder. Der katholisch getaufte Lindner war mit 18 Jahren ausgetreten. An der Feier gab es Kritik, das Paar habe die Kirche nur als Kulisse benutzt und eine Dienstleistung in Anspruch genommen, die Kirchenmitglieder finanzieren.

"Selten haben mir so viele zornige Kirchenmitglieder geschrieben wie nach der kirchlichen Trauung von Christian Lindner und Franca Lehfeldt auf Sylt", betonte Kurschus. "Angestauter Frust, tiefsitzende Aggressionen und lange nagende Enttäuschungen fanden hier ihren Ausbruch." (KNA)