Papst Franziskus tauscht sich mit neuen, alten und entmachteten Purpurträgern aus

Beratungen im Vatikan: Auch "Problemkardinäle" dürfen teilnehmen

Veröffentlicht am 29.08.2022 um 17:30 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ Bei der Kardinalsversammlung im Vatikan geht es um die Kurienreform. Doch die Präsenz einiger Würdenträger sorgt für Rumoren – und das gilt nicht nur für Kardinal Becciu, der sich vor dem Vatikangericht verantworten muss.

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Sie debattieren unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nach dem feierlichen Teil der Kardinalsversammlung mit der Erhebung neuer Würdenträger vom Samstag hat am Montag der politisch brisante Teil des Treffens aller Kardinäle mit dem Papst begonnen. Der kirchenrechtliche Status des Treffens bleibt im Vagen: Anders als früher ist nicht die Rede von einem "außerordentlichen Konsistorium", sondern lediglich von einer "Versammlung" (italienisch: riunione).

Hauptthema soll die Kurienreform sein, doch inoffiziell und am Rande wird es auch um anderes gehen. 226 Kardinäle gehören dem Kardinalskollegium an. Die meisten sind für das außergewöhnliche Treffen nach Rom gereist. Auf einigen ruht mehr Aufmerksamkeit als auf anderen. Vor allem auf den "Problemkardinälen".

Der Kardinal mit dem verschmitzten Lächeln

Da wäre Kardinal Giovanni Angelo Becciu. Der Sarde mit dem verschmitztem Lächeln hatte kurz vor der Kardinalsversammlung überraschend sein Kommen angekündigt. Papst Franziskus habe ihn telefonisch eingeladen. In Medien wurde er mit den Worten zitiert, er werde wieder in sein Amt als Kardinal eingesetzt. Die Nachricht wurde rasch zu einem Selbstläufer.

Und dann saß er wirklich am Samstag in der ersten Reihe. Als ob er wie alle anderen dort hingehöre. Becciu ist jedoch kein Kardinal mehr wie alle anderen. Vor gut zwei Jahren hatte Franziskus ihn plötzlich und ohne Begründung vom Amt als Präfekt der Heiligsprechungskongregation entbunden. Zugleich nahm er Beccius Verzicht auf "die mit der Kardinalswürde verbundenen Rechte" an. Der 74-Jährige, lange Zeit ein enger Vertrauter des Papstes, darf kein Kurienamt ausüben und dürfte nicht an einer Papstwahl teilnehmen.

Sein Auftauchen am Wochenende löste Spekulationen aus. Hat der Papst ihm seine Kardinalswürde zurückgeben? Hat er ihn zu seinem 50. Priesterjubiläum rehabilitiert? Denn Becciu, viele Jahre Zweiter Mann im Staatssekretariat, muss sich seit gut einem Jahr vor dem Vatikangericht verantworten.

Papst Franziskus und Robert Walter McElroy
Bild: ©KNA/CNS photo/Paul Haring

Am Samstag erhob Papst Franziskus 20 Kirchenmänner zu Kardinälen. Hier setzt der Pontifex Bischof Robert Walter McElroy das Kardinalsbirett im Petersdom auf.

Ihm werden im Zusammenhang mit Investitionen in London sowie in seiner Heimatdiözese Amtsmissbrauch, Veruntreuung und Verleitung zur Falschaussage vorgeworfen. Der Kardinal beteuert seine Unschuld – und seine Nähe zum Papst. Dieser wiederum hofft, so erklärte er in einem Interview, dass sein ehemaliger Vertrauter wahrhaft unschuldig ist.

Also wirklich eine "Rehabilitation" als Kardinal? Danach sieht es nicht aus. Bereits zuvor hieß es in Vatikankreisen, dass eine Teilnahme nicht mit der Rückgabe der Rechte gleichzusetzen sei. Und dann machte eine Fußnote in den statistischen Daten zur Kardinalsversammlung die Runde. "In allen Statistiken wird Kardinal Giovanni Angelo Becciu als Nichtwähler angesehen", heißt es dort. Damit wird angedeutet, dass der Sarde teilnehmen darf, aber nicht alle Kardinalsprivilegien zurückerhält. Ende September sitzt er wieder auf der Anklagebank im Vatikangericht.

Anwesenheit von Kardinal Barbarin verwunderte

Becciu ist nicht der einzige Problemfall in dem illustren Kollegium. Da wäre der indische Kardinal, Erzbischof George Alencherry. Auch er wurde in Rom gesichtet. Der 77-Jährige ist seit Jahren in einen Finanzskandal verstrickt. Es geht um Verluste beim Verkauf von Kirchengrundstücken. 2018 entzog ihm der Papst die Leitung der administrativen und wirtschaftlichen Angelegenheiten seines Großerzbistums Ernakulam-Angamaly. Zeitweise übernahm ein Administrator die Bistumsführung. Die indische Bundesbehörde ermittelt. Im Frühjahr errang Alencherry einen Teilerfolg, als das Oberste Gericht Indiens seine Beschwerde zuließ und eine Prüfung der Ermittlungen veranlasste.

Auch das Kommen des französischen Kardinals Philippe Barbarin erstaunte einige. Der Ex-Erzbischof von Lyon ist seit seinem Rücktritt 2020 Hausgeistlicher in einem französischen Ordenshaus. Früher gab es viel Aufsehens um ihn. Der 71-Jährige musste sich wegen Nichtanzeige von Missbrauchsfällen vor Gericht verantworten, wurde letztlich aber freigesprochen. Und erst nach dem Freispruch nahm Franziskus das Rücktrittsgesuch des Franzosen an.

Ein noch offenes Rücktrittsgesuch gibt es in der deutschen katholischen Kirche. Beobachter berichten von einem angeregten Wortwechsel zwischen Kardinal Rainer Maria Woelki (66) und Barbarin am Samstag im Petersdom. Auch im Kölner Problemfall wird es irgendwann zu einer Lösung kommen. Woelkis Kardinalsrechte werden davon jedoch nicht betroffen sein – ganz gleich, wie der Papst in der Kölner Kirchenkrise entscheidet.

Von Anna Mertens (KNA)