Christliches Engagement zwischen Streuobstwiesen und Klimaprotesten
Der eine schneidet Landschaftshecken, die andere appelliert an Politik und Religionsvertreter – zwei junge Menschen setzen sich für den Schutz von Natur und Klima ein. Gemeinsam haben sie ihre christliche Motivation: die Schöpfung bewahren.
Johannes Lenders arbeitet für ein Jahr freiwillig bei der Biologischen Station der Stadt Hagen. Der 19-Jährige schneidet Hecken, Wildwiesen und Obstbäume, sucht Wildkatzen oder kämpft gegen den Riesenbärenklau, der als eingewanderte Art zunehmend einheimische Arten verdrängt. Er erntet Äpfel von Streuobstwiesen und kümmert sich um Kühe einer einst akut vom Aussterben bedrohten Rasse.
"Und er sah, dass es gut war"
Die meiste Zeit verbringt er im Freien. "Wenn man in Dortmund wohnt, hat man nicht so viel Natur", sagt der junge Mann und schmunzelt, "da ist es schön, den ganzen Tag draußen zu verbringen." Nach dem Abitur habe er das Bedürfnis gehabt, körperlich zu arbeiten und etwas Sinnvolles zu tun. So entschloss er sich für einen Bundesfreiwilligendienst bei der Biostation.
Die Station kümmert sich vor allem um Naturschutzgebiete. "Wenn man sich ansieht, was alles kaputt gemacht wird", sagt Johannes, "finde ich es einfach gut, sich für den Erhalt von etwas einzusetzen." Für viele Menschen seiner Generation seien Klima- und Naturschutz sehr wichtige Themen. Ihn persönlich motiviere auch sein christlicher Glaube dazu, so der Katholik. Es gehe darum, sagt der junge Mann, "etwas pathetisch ausgedrückt: die Schöpfung zu bewahren".
"Und er sah, dass es gut war" – diesen oft wiederholten Satz der Schöpfungsgeschichte verbindet Johannes mit seinem Einsatz in der Natur. "Ich war jetzt fast ein Jahr lang draußen und kann sozusagen nachvollziehen, was Gott gut fand", sagt Johannes. "Wenn man das so sagen möchte, finde ich Gottes Schöpfung genauso gut wie er selbst, und deswegen liegt es mir am Herzen, dafür was zu tun."
Die Theologin Charlotte Cremer begründet ihr Engagement für Klimaschutz ebenfalls aus ihrem Glauben. "Biblisch gesprochen haben wir den Auftrag, uns um alles Lebendige in Gottes Sinne zu kümmern - daran scheitern wir grandios", sagt sie, "wir verschlechtern fahrlässig bis mutwillig Lebensbedingungen."
Charlotte lebt in Berlin und engagiert sich in der dortigen Ortsgruppe von "Christians for Future". Die ökumenische Initiative ist Teil der "Fridays for Future"-Bewegung und setzt sich nach eigenen Angaben für Klimaschutz, Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung ein. Die Anliegen der Klimagerechtigkeit sei genuin christlich, sagt die 31-Jährige. Engagiert spricht sie davon, dass Klimaschutz politische Veränderungen von Strukturen brauche und die Verantwortung nicht auf das Verhalten Einzelner abgewälzt werden dürfe.
Klimakrise verstärkt bestehende Ungleichheiten
Sie betont, dass die Klimakrise zu neuem Leid führe und bestehende Ungleichheiten verstärke. Zum Beispiel könnten Menschen in armen Ländern die Folgen der Erderwärmung schwerer abmildern als reiche Weltregionen. "Insofern ist die Klimakrise ein wesentliches Problem auf dem Weg zur von Gesetzen, Propheten und Evangelium als Gottes Anliegen verkündeten Gerechtigkeit", so die Katholikin. Sie argumentiert theologisch: Der Einsatz für soziale Gerechtigkeit gehöre zu den Grunddiensten der Kirche. Gerade im gesellschaftlich-politischen Bereich liege der Haupt-Wirkungsort für Laien.
Die christlichen Klimaaktivisten wollen in mehrerlei Hinsicht wirken. Zum einen möchten sie den Menschen in der eigenen Religionsgemeinschaft bewusst machen, dass Klimaschutz in unserer Zeit ein zentrales Element für das Reich Gottes sei. Deshalb besucht Charlotte Veranstaltungen wie die "Lange Nacht der Religionen" in Berlin und Informationsveranstaltungen. Die Initiative organisiert außerdem Andachten und Fastenaktionen.
Charlotte beobachtet, dass das Thema im religiösen Umfeld nach und nach ins Bewusstsein der Menschen sickere. Mit Christians for Future nimmt Charlotte außerdem an Kundgebungen zum Klimaschutz teil. "Hier geht es darum, als Christ*innen auf diesen Demonstrationen präsent zu sein", so die junge Frau.
Ihren Kirchen als einflussreichen Akteuren legten Christians for Future im vergangenen Jahr zwölf Forderungen vor, um ihren politischen Einfluss für das Thema der Klimagerechtigkeit zu nutzen sowie das eigene Handeln anzupassen. "Nicht zuletzt um der Glaubwürdigkeit der eigenen Botschaft willen", sagt Charlotte.
Der Gottesdienst motiviert zu Engagement
Insbesondere die Zusammenarbeit mit anderen Konfessionen und auch Religionen nimmt Charlotte als Bereicherung wahr, das gemeinsame Anliegen stärke die Ökumene und den interreligiösen Dialog. "Beispielsweise durfte ich in einem serbisch-orthodoxen Gottesdienst unsere Ziele vorstellen", berichtet die Theologin.
Ihre Motivation schöpft die 31-Jährige aus dem Gottesdienst: Es sei unglaubwürdig und geradezu zynisch, im Gottesdienst Psalmen zu singen wie "Jubeln sollen alle Bäume des Waldes vor dem Herrn" und gleichzeitig durch die Klimaerhitzung dafür zu sorgen, dass es diesen Bäumen schlecht gehe. Mit dem Gebet geht für Charlotte daher auch die Verantwortung einher, sich selbst entsprechend zu verhalten und sich für politische Rahmenbedingungen einzusetzen, die dem Gebetsanliegen nicht zuwiderlaufen.
Charlottes Engagement wird also weiter gehen. Auch Johannes will sich weiterhin für den Naturschutz einsetzen. Er überlegt, nach seinem Freiwilligendienst Landschaftsökologie oder Forstwissenschaften zu studieren. Und falls nicht beruflich, gebe es auch genug ehrenamtliche Jobs. "Es dauert keine 20 Minuten am Tag, Kröten in Eimer einzusammeln und auf die andere Seite der Straße zu tragen. Damit hätte man auch schon etwas getan."