Westminster Abbey – Trauerhalle und Krönungskirche der Nation
England ist in Trauer und Aufregung. Die Queen ist tot. Und zugleich heißt es: Lang lebe der König! Neben dem Buckingham Palace, der königlichen Residenz in London, gibt es einen weiteren Ort, an dem sich Wohl und Wehe der Monarchie und damit auch der anglikanischen Staatskirche kristallisiert: Westminster Abbey im Herzen Londons. Der Montag kommender Woche, Tag der Beisetzung der Queen, ist in Großbritannien offiziell Staatstrauertag. Der Staatsakt findet in Westminster Abbey statt. Anschließend wird Elizabeth II. auf Schloss Windsor neben ihrem Vater beigesetzt, in der King George VI. Memorial Chapel.
Westminster Abbey, eine einstige Klosterkirche, gehört zu den geschichtsträchtigsten Gotteshäusern des Landes. Seit Jahrhunderten ist sie Englands Krönungskirche. Und mehr als 100 Royals wurden hier bis 1790 beigesetzt. Dass auch königliche Hochzeiten in dem gotischen Prachtbau gefeiert werden, ist hingegen eine vergleichsweise moderne Erscheinung: Erst 15 solcher Zeremonien fanden hier statt. Auch die nun gestorbene Elizabeth II. heiratete hier im November 1947 ihren langjährigen Ehemann Prinz Philip.
Das heutige Erscheinungsbild der Kirche geht auf König Heinrich III. zurück
Das heutige Erscheinungsbild der Kirche geht auf König Heinrich III. zurück. Er betrieb ab 1245 einen Neubau des Gotteshauses, das ursprünglich zu einer schon im Frühmittelalter gegründeten Benediktinerabtei gehörte. Heinrich III. wünschte den damals hochmodernen Stil französischer Kathedralgotik. Zur Kirchweihe 1269 waren große Teile der Bauarbeiten abgeschlossen, doch erst 1506 wurde das Langhaus endgültig fertiggestellt. Nach der Zerstörung durch deutsche Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche wiederaufgebaut.
1540, im Zuge der anglikanischen Abspaltung Heinrichs VIII. von Rom, und endgültig 1559 wurde das Kloster aufgelöst. Eine Tradition hat sich allerdings bis heute erhalten: der hier gepflegte benediktinische Gebetsrhythmus. Jede Stunde kehrt in dem vielbesuchten Bauwerk für eine Minute Ruhe ein. Im Mittelalter fanden in Westminster Abbey unweit der Themse Parlamentssitzungen statt. Auch der Kronschatz wurde hier aufbewahrt.
Der offizielle Name der Kirche lautet eigentlich "Collegiate Church of St. Peter, Westminster". Der Name "Westminster" kann allerdings für Verwirrung sorgen: Die anglikanische Krönungskirche wird häufig fälschlich mit Westminster Cathedral verwechselt, seit Anfang des 20. Jahrhunderts Bischofskirche des römisch-katholischen Erzbischofs von Westminster und katholische Hauptkirche für England und Wales.
Westminster Abbey besitzt den Rang einer sogenannten königlichen Eigenkirche (Royal Peculiar) und ist also keinem Bistum unterstellt. Ihr oberster Geistlicher, der Dekan von Westminster, wird direkt vom Monarchen berufen. Eine Attraktion im Inneren der Kirche ist der über Jahrhunderte genutzte Krönungsstuhl der schottischen Könige. Zahlreiche britische Staatsmänner, Dichter, Musiker und Wissenschaftler (zuletzt das Physikgenie Stephen Hawking 2018) haben hier ein Ehrengrab erhalten. In der Poets' Corner im Südflügel sind berühmte Schriftsteller wie Geoffrey Chaucer, Charles Dickens und Rudyard Kipling oder der Komponist Georg Friedrich Händel begraben.
Eine Ehrung in der Poets' Corner gilt als Aufnahme in den Olymp
Andere, wie William Shakespeare, John Keats, Robert Burns oder Lord Byron, wurden mit einem Gedenkstein geehrt. Eine Ehrung in der Poets' Corner gilt gleichsam als Aufnahme in den Olymp der britischen Literatur. 2013 erhielt Clive Staples Lewis (1898-1963), Autor der siebenbändigen Fantasy-"Chroniken von Narnia", zu seinem 50. Todestag einen solchen Ritterschlag. Bekannt ist Westminster Abbey auch für ihr Eingangsportal. Es enthält neben Darstellungen der vier christlichen Tugenden Wahrheit, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Friede auch Skulpturen von zehn Märtyrern des 20. Jahrhunderts verschiedener christlicher Konfessionen; darunter sind auch Maximilian Kolbe, Martin Luther King, Oscar Romero und Dietrich Bonhoeffer.
Bleibt noch der Name zu klären: Das dem Apostel Petrus geweihte Gotteshaus im damaligen Westen der Stadt erhielt – analog zum "East Minster", der im Osten Londons gelegenen Saint-Pauls-Kathedrale – die volkstümliche Bezeichnung "West Minster". Sie wurde auch namensgebend für den angrenzenden Sitz des britischen Parlaments und Regierungssitzes. "Minster" oder "Münster" ist ein Lehnwort des lateinischen "monasterium", also Kloster oder Stift. Allerdings wurden bald auch manche Kathedralen (Bischofskirchen) so genannt – weil auch die Domkapitel ursprünglich in klosterähnlicher Gemeinschaft lebten; und schließlich überhaupt große Kirchen, wie etwa in Ulm oder Freiburg.