Papst Franziskus spricht sich gegen rückwärtsgewandte Kirche aus

Weihbischof Schneider warnt vor "Supermarkt der Religionen"

Veröffentlicht am 15.09.2022 um 11:09 Uhr – Lesedauer: 

Nur-Sultan ‐ Es gebe "nur eine wahre Religion, die katholische Kirche", sagt der als Papst-Kritiker bekannte Weihbischof Athanasius Schneider. Daher sieht er auch den Weltkongress der Religionen und Franziskus' Teilnahme daran kritisch.

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Der kasachische Weihbischof Athanasius Schneider sieht den Weltkongress der Religionen sowie die Teilnahme des Papstes daran kritisch. Der Kongress habe ein gutes Ziel, indem er gemeinsamen Respekt und Verständnis fördere. "Aber es besteht auch die Gefahr, dass der Eindruck eines 'Supermarktes der Religionen' entsteht", sagte Schneider am Donnerstag vor Journalisten in Nur-Sultan. Das dürfe nicht sein, denn es gebe "nur eine wahre Religion, die katholische Kirche".

Bei dem Kongress erscheine der katholische Glaube indes als einer unter vielen. Vielleicht könnten künftige Treffen lokaler und persönlicher stattfinden, weniger als eine "Show". Sonst drohe die Gefahr, dass politische Eliten dieses Zusammentreffen auch für ihre Zwecke missbrauchten. "Frieden beginnt im Haus, in der Familie und Nachbarschaft", so Schneider.

Schneider hat sich wiederholt als Kritiker der kirchenpolitischen Linie von Papst Franziskus geäußert, auch bei interreligiösen Fragen. Es sei normal, dass man den Papst auch mal kritisiere, so Schneider weiter. "Wir sind keine Mitarbeiter des Papstes", so der Weihbischof. Für ihn sei es wichtig, respektvoll, aber ehrlich und auch kritisch mit dem Kirchenoberhaupt zu kommunizieren. "Das ist für mich wahre brüderliche Liebe."

Vatikan schränkte Reisetätigkeit Schneiders ein

Der deutschstämmige Schneider, seit 2011 Weihbischof im Erzbistum Astana, gehört dem Kreuzorden (Orden der Regularkanoniker vom Heiligen Kreuz) an. Er steht konservativen und traditionalistischen Kreisen nahe. 2018 beschränkte das vatikanische Staatssekretariat Schneiders Reisetätigkeit, die dieser auch nutzte, um für seine Positionen im Ausland zu werben. Seine Reisen außerhalb seines Erzbistums dürfen die kirchenrechtlich auf 30 Tage beschränkte Dauer nicht mehr überschreiten.

Unterdessen sprach sich der Papst in Kasachstan mit Nachdruck gegen eine rückwärtsgewandte Kirche aus und ermunterte die Katholiken in Zentralasien, für die Zeichen der Zeit offen zu sein. Die Kirche solle sich nicht "in ihrem Gehäuse verschließen", sondern eine Gemeinschaft sein, die "offen ist für Gottes Zukunft, die vom Feuer des Geistes entzündet ist". Franziskus äußerte sich am Donnerstag in einer Ansprache an Bischöfe, Priester und Laien in der Kathedrale der Hauptstadt Nur-Sultan.

Papst Franziskus in Kasachstan
Bild: ©KNA/Vatican Media/Romano Siciliani

Papst Franziskus spricht bei der Vollversammlung des "VII. Kongresses von Welt- und traditionellen Religionen".

An die Adresse der kasachischen Seelsorger, unter denen manche aus der Tradition des polnischen Katholizismus kommen und von denen einige innerkirchlich zu den konservativen Kritikern des Papstes zählen, formulierte er: "Der Glaube ist keine schöne Ausstellung von Dingen aus der Vergangenheit, sondern ein immer gegenwärtiges Ereignis, die Begegnung mit Christus, die hier und jetzt im Leben stattfindet! Deshalb kommuniziert man nicht bloß durch das Wiederholen der immergleichen Dinge, sondern durch das Weitergeben der Neuheit des Evangeliums. So bleibt der Glaube lebendig und hat Zukunft."

Franziskus ermahnte die Geistlichen, auch die Laien aktiv ins Leben der Kirche einzubeziehen und nicht in Klerikalismus zu verfallen. Wörtlich sagte der Papst: "Nicht nur Bischöfe, Priester und Ordensleute, sondern jeder Getaufte ist in das Leben Christi eingetaucht worden und dazu berufen, das Erbe zu empfangen und die Verheißung des Evangeliums anzunehmen. Deshalb muss den Laien Raum gegeben werden: Das wird euch guttun, damit die Gemeinden nicht erstarren und sich nicht klerikalisieren."

Er forderte die Katholiken in Kasachstan auf, eine "synodale Kirche" zu werden. Dies sei "eine Kirche der Teilhabe und der Mitverantwortung". Die Kirche der Zukunft beschrieb er als "eine Kirche, die fähig ist, hinauszugehen und auf die Welt zuzugehen, weil sie in Gemeinschaftlichkeit geübt ist".

"Nicht Verwalter des Heiligen oder Gendarmen" sein

"Offenheit, Freude und Miteinanderteilen" müssten wie in der Urkirche auch die Zeichen der Kirche der Zukunft sein. "Lasst uns eine Kirche erträumen und mit Gottes Gnade aufbauen, die mehr von der Freude des Auferstandenen erfüllt ist, die Ängste und Klagen zurückweist, die sich nicht von Dogmatismus und Moralismus verhärten lässt", so der Papst weiter.

Die Bischöfe und Priester forderte er auf, "nicht Verwalter des Heiligen oder Gendarmen zu sein, die sich um die Durchsetzung religiöser Normen sorgen, sondern Hirten, die den Menschen nahe sind, lebendige Abbilder des barmherzigen Herzens Christi". Die meisten in der Kathedrale von Nur-Sultan versammelten Kleriker, Ordensleute und Laien reagierten auf die Rede des Papstes mit starkem Beifall.

Zum Weltkongress der Religionen, an dem in diesem Jahr auch Papst Franziskus teilnimmt, sind etwa 100 Delegationen aus 50 Ländern nach Nur-Sultan angereist. Seit 2003, auch als Reaktion auf den islamistischen Terroranschlag vom 11. September 2001 in den USA, lädt die kasachische Regierung alle drei Jahre zu einem "Kongress von Führern der Welt- und traditionellen Religionen". (tmg/KNA)