Fristlose Kündigung wegen geplanter Leihmutterschaft unwirksam

Gericht gibt Klage von Kantor gegen Kirche statt

Veröffentlicht am 15.09.2022 um 15:09 Uhr – Lesedauer: 

Braunschweig ‐ Wegen einer geplanten Leihmutterschaft war der langjährige Braunschweiger Domkantor im März fristlos gekündigt worden. Doch dagegen klagte der Mann. Nun entschied das Arbeitsgericht: Die Kündigung ist unwirksam.

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Das Arbeitsgericht Braunschweig hat der Klage des wegen einer geplanten Leihmutterschaft fristlos gekündigten Braunschweiger Domkantors stattgegeben. Das bestätigte ein Gerichtssprecher der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) auf Anfrage am Donnerstag. Die Kündigung durch die evangelische Landeskirche in Braunschweig sei unwirksam. Auch verurteilte das Gericht die Landeskirche zur tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Kantors bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens. Nach Zugang des schriftlichen Urteils kann die Landeskirche vier Wochen lang Berufung einlegen.

Die Kirche hatte den Kantor im März nach langjähriger Tätigkeit entlassen, weil er mit seinem aus Kolumbien stammenden Ehemann eine Leihmutterschaft in dem südamerikanischen Land beauftragen wollte. Die Kirche sieht in der Planung der Leihmutterschaft einen Loyalitätsverstoß und hält eine weitere Zusammenarbeit für unzumutbar. Der Musiker hingegen macht die Kirche dafür verantwortlich, dass der Fall öffentlich geworden ist und sieht sich laut Gericht in seiner Reputation und möglicherweise auch wirtschaftlich schwer geschädigt. Eine Güteverhandlung zwischen dem Kantor und der Landeskirche im Frühjahr blieb erfolglos.

"An sich wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung" nicht gegeben

Die Entscheidung zugunsten des Klägers begründete das Gericht damit, dass ein "an sich wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung" nicht gegeben sei. Im Offenhalten einer Leihmutterschaft liege kein direkter Verstoß gegen eine vertragliche Loyalitätspflicht gegenüber der Kirche vor. Der "bloße Abwägungsprozess" des Kantors bezüglich einer Leihmutterschaft sei von der Meinungsfreiheit gedeckt. Auch habe die Landeskirche die öffentliche Verbreitung der Pläne mitverschuldet.

Der Musiker arbeitete seit 1999 als Domkantor in Braunschweig. Dort leitete er unter anderem die Braunschweiger Domsingschule, die größte Einrichtung für evangelische Kirchenmusik in Deutschland mit rund 600 Kindern und Erwachsenen in 21 Chören.

Als Leihmütter werden Frauen bezeichnet, die für eine andere Person ein Kind austragen. Die Leihmutterschaft ist in Deutschland bislang verboten. Die großen christlichen Kirchen sprechen sich dagegen aus, weil sie unter anderem die Rechte von Frauen und Kindern in Gefahr sehen. (KNA)