Viele Systeme der Kirchenfinanzierung sind historisch begründet

Wie sich die Kirche der Zukunft finanzieren kann

Veröffentlicht am 05.02.2023 um 12:00 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Kirchen in Deutschland sind finanziell momentan noch gut gestellt. Doch wird das auch in Zukunft so bleiben? Katholisch.de stellt verschiedene Wege der Kirchenfinanzierung vor – und zeigt, welche davon auch in der Kirche in Deutschland funktionieren würden.

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Wer in Deutschland Kirchenmitglied ist, wird zur Kasse gebeten: Die Kirchen erhalten von jedem Mitglied Kirchensteuer. Der Betrag entspricht in Baden-Württemberg und Bayern acht, in den restlichen Bundesländern neun Prozent der zu zahlenden Einkommensteuer. Das Geld wird von den Arbeitgebern zusätzlich zur Einkommensteuer einbehalten und an die Finanzämter abgeführt. Diese leiten das Geld an die jeweilige Kirche (also ein Bistum oder eine Landeskirche) weiter – dafür bekommt das jeweilige Land eine Hebegebühr von der entsprechenden Kirche. Der Staat geht aus diesem Arrangement am Ende sogar mit einem kleinen Plus heraus. Nicht zuletzt wegen der schwindenden Kirchenbindung steht dieses Konzept allerdings in der Kritik: Ein knappes Zehntel ihrer Einkommenssteuer ist ihre Kirche auch vielen Mitgliedern nicht mehr wert. Zudem sind Staat und Kirche durch dieses Konstrukt eng verwoben. Ist das ein zukunftsfähiger Weg, Priester, Seelsorgepersonal und Gebäude zu bezahlen? Auf der Suche nach der Kirchenfinanzierung der Zukunft kann ein Blick auf bereits bestehende Systeme in Europa helfen, in vielen Staaten existieren mehrere nebeneinander.

Wer die Kirchensteuerregelung in Deutschland zu staatsnah findet, erstaunt sicher beim Blick auf Länder, in denen Geistliche wie früher in Preußen noch komplett vom Staat bezahlt werden. In Belgien ist das etwa der Fall, wo der Staat für alle im Land anerkannten Religionsgemeinschaften die Gehälter und Renten der Geistlichen bezahlt – also auch für Rabbis und Imame. Angelehnt sind deren Gehälter an jene von Beamten. Zudem müssen belgische Kommunen Pfarrern und Bischöfen Wohnraum zur Verfügung stellen. Ähnliche Mechanismen gibt es beispielsweise auch in Luxemburg für die katholische und Griechenland für die orthodoxe Kirche.

Diese Art der Finanzierung ist in der Regel das Ergebnis historischer Entwicklungen, im Fall von Belgien geht sie beispielsweise auf die Herrschaft Napoleons zurück. Da in diesen Ländern wie in vielen anderen Europas auch die Zahl der Kirchenmitglieder sinkt, stellt sich auch hier die Frage der Nähe von Staat und Kirche.

Entschädigung für historische Ereignisse

Eine andere Form von Zahlungen des Staates an Kirchen sind beispielsweise die Staatsleistungen in Deutschland. Mit diesen Geldern werden Kirchen für lange zurückliegende Enteignungen entschädigt. Auch Österreich kennt solche Ausgleichszahlungen, in den Niederlanden wurden sie 1983 gegen eine Einmalzahlung von 250 Millionen Gulden abgelöst. In Deutschland sind diese Zahlungen, die es seit mehr als 200 Jahren gibt, seit längerem in der Diskussion. Die katholische Kirche ist offen für eine Ablösung, allerdings ist die dafür nötige Summe strittig.

Bei den bis hierher genannten Zahlungen fließt Staatsgeld direkt an Religionsgemeinschaften. Daneben gibt es aber auch die staatliche Unterstützung kirchlicher Projekte, zum Beispiel in Frankreich. Dort erhalten Religionsgemeinschaften nicht an sich Geld, sondern die öffentliche Hand unterstützt Initiativen der Religionen, die dem Gemeinwohl zugutekommen: Krankenhäuser, Armenfürsorge, Kindergärten und Schulen gehören etwa dazu.

Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Eine besondere Finanzierung gibt es etwa für die Klinikseelsorge.

Ähnlich, aber doch etwas anders gelagert ist die staatliche Kirchenfinanzierung etwa bei besonderer Kategorialseelsorge wie in Gefängnissen und dem Religionsunterricht. Auch dies wird in Deutschland praktiziert, beispielsweise sind Religionslehrer an staatlichen Schulen normale staatliche Angestellte oder Beamte. Daneben gibt es solche Kostenübernahmen auch in Polen, Rumänien, Frankreich, Großbritannien und Estland.

Etwas weniger direkt sichtbar sind Steuervorteile oder -erleichterungen für Religionsgemeinschaften. Diese gibt es beispielsweise in Rumänien, Portugal, Finnland, Frankreich und den Niederlanden.

Beiträge von Einzelpersonen

Neben Geld vom Staat können sich Kirchen auch durch die Beiträge von Einzelpersonen finanzieren. Das kann zum Beispiel wie in Deutschland durch eine Steuer organisiert sein, ähnliche Systeme gibt es etwa Schweden, Dänemark und manchen Kantonen in der Schweiz.

Etwas anders gelöst ist das beispielsweise in Italien: Hier wird ein Teil der Einkommenssteuer zweckgebunden, was manchmal als "Kultursteuer" bezeichnet wird. Das ist aber nicht ganz zutreffend. Denn es gibt keine eigene Steuer für Religionsgemeinschaften, sondern jeder Einzelne darf bestimmen, an wen ein bestimmter Teil der selbst gezahlten Steuer geht. Dadurch hat dieses System einen demokratischen Kniff, weil über das eigene Geld eigenständig verfügt werden kann. In Italien gibt es das nicht nur für Religionsgemeinschaften, sondern auch für Kultur- und Sozialinstitutionen. Die Besonderheit ist hier, dass die Zahlungen nicht von der Mitgliedschaft abhängen, sondern von der freiwilligen Auswahl einer Institution. Auch Nicht-Kirchenmitglieder können also ihren Anteil einer Kirche zahlen, wenn sie deren Arbeit wertschätzen. Es zahlen aber alle den gleichen Betrag. Ähnliche Regelungen gibt es in Spanien und Ungarn. Etwas anders ist das System in Island: Kirchenmitglieder zahlen dort eine Kirchensteuer an ihre Kirche, Konfessionslose an die Universität Reykjavik. Es hängt hier allerdings von der Mitgliedschaft ab, man darf nicht individuell aussuchen.

Der Petersdom
Bild: ©katholisch.de/rom

Etwa in Italien ist ein Teil der Einkommensteuer zweckgebunden.

Ein großer Unterschied etwa des spanischen oder italienischen Systems gegenüber dem deutschen ist nicht zuletzt die Summe, die Religionsgemeinschaften bekommen. In Italien heißt die entsprechende Regelung passenderweise "otto per mille" (Acht Promille), denn es handelt sich um 0,8 Prozent der Einkommensteuer. In Spanien sind es sogar nur 0,52 Prozent. Beide Sätze sind weit entfernt von jenen in Deutschland, die mindestens zehn Mal so hoch sind und dadurch den Kirchen einen weit größeren Handlungsradius gewähren.

Spenden und Stolgebüren

Am weitesten vom Staat entfernt sind freiwillige Beiträge an die Institutionen von Kirchengebundenen. Dazu gehören auch Stolgebühren, also Entgelte, die eine Kirchengemeinde für Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen erhebt. Diese Stolgebühren gibt es vielen europäischen Ländern gibt. Am freiesten sind Spenden, für die Kirchen allerdings auch am schlechtesten planbar. Zudem muss nicht selten offensiv dafür geworben werden. Das wird an Werbepostern für Spenden etwa in Kirchen Frankreichs ersichtlich. Dagegen relativ komfortabel und planbar sind Mittel, die alteingesessene Kirchen aus der Vermehrung ihres historisch entstandenen Vermögens ziehen können, etwa in Portugal, Großbritannien oder Dänemark. In Deutschland ist die finanzielle Lage der Kirche extrem unterschiedlich: Während es sehr reiche Diözesen gibt, sind unter anderem jene in Ostdeutschland finanziell nicht besonders gut ausgestattet.

Beim Blick auf Finanzierungsmöglichkeiten wird klar: Viele Systeme sind historisch entstanden und ließen sich etwa mit Blick auf direkte staatliche Zahlungen heute kaum etablieren. Andere, auf den ersten Blick sympathische Regelungen wie in Italien hätten dagegen zur Folge, dass die betroffenen Kirchen ihre Arbeit deutlich einschränken und neu aufstellen müssten. Ähnliches würde wohl auch für eine Spendenfinanzierung gelten, vor allem, da dies mit Blick auf die Kirchen in Deutschland nicht im kollektiven Gedächtnis eingeübt ist.

Bild: ©KNA

Eine klassische Form der Spende: Die Kollektenschale.

Dazu kommt ein rechtlicher Aspekt: Das Recht von Religionsgemeinschaften, Steuern zu erheben, steht in Deutschland im Grundgesetz: "Die Religionsgemeinschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben." (Art. 140 GG mit Übernahme des Art. 137 der Weimarer Reichsverfassung) Dieses Recht wurde unter anderem im Reichskonkordat zwischen dem Deutschen Reich und dem Heiligen Stuhl von 1933 (Art. 13) festgelegt, das immer noch gilt. Das Thema Kirchensteuer berührt also völkerrechtliche Verträge.

Arbeit am momentanen System könnte lohnen

Die Arbeit am momentanen deutschen Kirchensteuersystem könnte also lohnen. Das empfehlen auch die Ökonomen David Gutmann und Fabian Peters. In einem Beitrag für das von der Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral herausgegebene Magazin "Euangel" plädieren sie für drei Maßnahmen: "Erstens: Wertschätzung und Dankbarkeit gegenüber Steuerzahlenden und Anerkennung ihrer Steuerzahlung; zweitens: Transparenz über die Verwendung der Kirchensteuern, regelmäßige Kommunikation und ernstgemeinte Beteiligungsmöglichkeiten; schließlich drittens, Kirchensteuer als pastorales Steuerungsinstrument und über Mitgliederorientierung als Treiber für pastorale Innovationen zu nutzen."

Die Kirche müsse Kontakt auch zu denen aufnehmen, die zwar die Steuer bezahlen, aber keine kirchlichen Angebote wahrnehmen. Dahinter müsse auch eine Haltung des Dankes stehen, die die Kirche ihren Mitgliedern entgegenbringt.

Bild: ©picture alliance/Goldmann

In Deutschland sinkt die Zahl der Kirchenmitglieder.

"Eine für den Steuerzahlenden plausible Verwendung ist eine weitere Voraussetzung für eine nachhaltige Bereitschaft und Akzeptanz der individuellen Kirchensteuerzahlung", schreiben die Ökonomen weiter. Das spiele etwa bei Menschen eine Rolle, die gerade ins Berufsleben einsteigen und erstmals Kirchensteuer zahlen. Hier sei Transparenz entscheidend. "Vielen Kirchensteuerzahlenden ist nicht bewusst, dass sie mit ihrer Kirchensteuer einen Solidarbeitrag für die rund 50 Prozent der Kirchenmitglieder leisten, die aufgrund fehlenden oder geringen Einkommens nicht zur Finanzierung der kirchlichen Arbeit herangezogen werden. Darüber hinaus finanzieren sie subsidiär unterhaltene Einrichtungen wie Kindergärten, Ehe- und Familienberatungen, Telefonseelsorge sowie diakonische bzw. caritative Angebote mit, die der gesamten Gesellschaft zugutekommen."

Motor für Weiterentwicklungen

Zuletzt müsse die Kirchensteuer besser als Motor für Weiterentwicklungen in der Kirche genutzt werden. Denn momentan bestehe "die inhärente Gefahr, dass Saturiertheit entsteht und Kirchensteuern gleichsam wie ein Füllhorn ausgeschüttet werden". Die Autoren schlagen vor, bei der Zuweisung von Kirchensteuermitteln an Gemeinden mit einzubeziehen, wie viele Menschen dort im Verhältnis ihre Kinder taufen lassen oder wieder in die Kirche eintreten. "Wenn zumindest ein Teil der Kirchensteuermittel in diesem Sinne anreizorientiert verteilt würde, könnten positive Entwicklungen durch zusätzliche Zuweisungen verstärkt werden."

Bei der Frage nach der Kirchenfinanzierung der Zukunft liegen also verschiedene Fragen auf dem Tisch: Wie viel ist eine Gesellschaft bereit, an Religionsorganisationen zu bezahlen? Wie transparent können diese Organisationen ihren Wert für Menschen individuell, aber auch für die Gesellschaft als Ganzes begründen? Diese Fragen werden die Diskussion begleiten und am Ende ausschlaggebend sein, mit welchen Mitteln für welche Aufgaben die Kirche der Zukunft in Deutschland arbeiten wird.

Von Christoph Paul Hartmann