Bericht: Missbrauchsvorwürfe gegen Bischof und Friedensnobelpreisträger
Carlos Filipe Ximenes Belo, früherer Bischof von Osttimor und Friedensnobelpreisträger von 1996, sieht sich Missbrauchsvorwürfen gegenüber. Der 74-Jährige soll jahrelang Jungen sexuell missbraucht haben, wie die niederländische Wochenzeitung "De Groene" (online Mittwoch) berichtet. Dies hätten Berichte von Betroffenen ergeben sowie Recherchen in deren Umfeld. Zugleich habe der Vatikan Reisebeschränkungen für Belo verhängt, so das Magazin. Anfragen an Belo, den Salesianerorden oder den Vatikan zu den Vorwürfen seien indes unbeantwortet geblieben. Belo war 2002 als Bischof (Apostolischer Administrator) der Hauptstadt Dili zurückgetreten. Nach einer Station als Hilfspriester in Maputo (Mosambik) lebt er demnach heute in Portugal.
"De Groene" zitiert "Paulo" (42) und "Roberto" (45), die beide anonym bleiben wollen. Sie seien in den 1990er-Jahren als 14- bis 16-jährige Teenager jeweils von Belo in dessen Residenz in Dili bzw. in ein Kloster eingeladen worden, wo es zu sexuellen Handlungen gegen ihren Willen gekommen sei; "Roberto" sprach demnach von Vergewaltigung. Anschließend habe der Bischof den Jungen Geld gegeben. Es gebe zahlreiche Berichte von ähnlichen Fällen, so die Zeitung. Die Vorwürfe reichten bereits bis in Belos Zeit als Leiter des Bildungszentrums der Salesianer Don Boscos zurück, bevor er 1983 Bischof wurde.
Belo sei damals nicht nur das mächtige Oberhaupt der katholischen Kirche von Osttimor gewesen, sondern auch ein Nationalheld und ein Hoffnungsträger für die Menschen, sagte "Paulo". Der Bischof habe seine Machtposition gegenüber Jungen missbraucht, die in extremer Armut lebten. Aus Angst und Scham hätten sie nicht über die Vorfälle gesprochen.
Gerüchte wurden öffentliches Geheimnis
"De Groene" sprach nach eigenen Angaben mit weiteren Betroffenen sowie mit 20 Personen, die Kenntnis von den Vorgängen gehabt hätten: Kirchenvertreter, Politiker, Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen und Fachleute. Die Recherchen hätten 2002 begonnen, als ein Mann aus Osttimor sagte, ein Freund sei von Bischof Belo sexuell missbraucht worden. Im November 2002 sei Belo dann überraschend zurückgetreten; wegen "körperlicher und geistiger Erschöpfung", wie er damals sagte. Von da an seien Gerüchte über den angeblichen Missbrauch zu einem öffentlichen Geheimnis angewachsen, so das Magazin.
Am Freitag bestätigte der Vatikan, 2020 und 2021 Disziplinarmaßnahmen gegen Belo verhängt zu haben. Laut Vatikansprecher Matteo Bruni hat sich "die Glaubenskongregation erstmals 2019 für den Fall interessiert". "In Anbetracht der Vorwürfe über das Verhalten des Bischofs" habe sie im September 2020 Disziplinarmaßnahmen gegen Belo verhängt. Dazu hätten "Einschränkungen seiner Bewegungsfreiheit und der Ausübung seines Amtes, sowie ein Verbot des Kontakts mit Minderjährigen" gehört. Weiter sei ihm der Kontakt mit Osttimor verboten worden. 2021 seien diese Maßnahmen noch einmal angepasst und verschärft worden, so Bruni. In beiden Fällen habe Belo die Maßnahmen "förmlich angenommen".
Belo zählte zu den größten Helden des Freiheitskampfes in Osttimor. Den Friedensnobelpreis erhielt er 1996 gemeinsam mit dem Rebellenführer und späteren Staatspräsidenten Jose Ramos-Horta. Nach seinem Rücktritt als Bischof und Weggang als Missionar nach Mosambik genoss er in seiner Heimat weiter höchstes Vertrauen. Das südostasiatische Osttimor gehört zu den jüngsten Staaten der Welt. Seit die Nation 2002 ihre Unabhängigkeit von Indonesien erstritt, kämpft das bitterarme Land um wirtschaftlichen Aufschwung. (tmg/KNA)
30.9., 11:30 Uhr: Ergänzt um Statement des Vatikan.