Medien: Wahrer Grund für Bischofsrücktritt Missbrauch, nicht Corona
Der im vergangenen Jahr angeblich aus Gesundheitsgründen zurückgetretene Bischof von Créteil, Michel Santier, ist in einem kirchlichen Verfahren wegen Missbrauchs verurteilt worden. Wie das französische Magazin "Famille Chrétienne" am Wochenende berichtete, sei Santier bereits 2019 von zwei Betroffenen bei den zuständigen kirchlichen Stellen angezeigt worden. Santiers Rücktritt wurde mit den Folgen einer Corona-Infektion erklärt und von Papst Franziskus im Januar 2021 angenommen. Zu diesem Zeitpunkt waren laut "Famille Chrétienne" dem Vatikan die Vorwürfe und ein Geständnis des Bischofs schon über ein Jahr bekannt. Santier soll in den 1990er-Jahren im Bistum Coutances als Leiter einer "Gebetsschule" für junge Erwachsene zwei Männer geistlich und sexuell auch im Umfeld von Beichten missbraucht haben.
Durch die Recherchen des Magazins wurde nun bekannt, dass Santier gegenüber dem zuständigen Erzbischof von Paris, Michel Aupetit, 2019 die ihm vorgeworfenen Taten eingeräumt hatte. Santiers Nachfolger, Bischof Dominique Blanchet, schilderte gegenüber "Famille Chrétienne" den Ablauf. Aupetit habe demnach nach der Anzeige der Betroffenen im Dezember 2019 den Stand seiner Ermittlungen nach Rom gemeldet, zugleich habe Santier sein Rücktrittsgesuch eingereicht, in dem er die von ihm zugegebenen Taten erwähnt habe. In einem Brief an die Gläubigen des Bistums Créteil hatte Santier seinen Rücktritt mit seinem gesundheitlichen Zustand sowie "anderen Schwierigkeiten" begründet, die er durchgemacht habe, ohne diese Schwierigkeiten weiter auszuführen.
"Leben des Gebets und der Buße"
Gegenüber "Famille Chrétienne" sagte der jetzige Bischof von Créteil, dass das Urteil der für Sexualdelikte zuständigen Glaubenskongregation kurz nach Santiers Rücktritt erging. Dem Bischof wurde auferlegt, ein "Leben des Gebets und der Buße" zu führen. Für die Überwachung der Auflagen ist der Bischof von Coutances, Laurent Le Boulc'h, zuständig. Am Freitag bestätigte er in einer Stellungnahme die Darstellung des Magazins zum Verfahren und teilte mit, dass er Santier angewiesen habe, bei einer Schwesterngemeinschaft zu wohnen. Dort übe er auch eine eingeschränkte Tätigkeit aus. Laut Créteils Bischof Blanchet ist das kirchenrechtliche Verfahren damit beendet. Ein staatliches Straf- oder Zivilverfahren werde es nicht geben, da die Betroffenen auf eine Anzeige verzichtet hätten. "Sie wollen völlig anonym bleiben und bitten ausdrücklich darum, dass nichts öffentlich über ihre Tortur gesagt wird", betonte Blanchet.
Ende 2021 hatte Blanchet angekündigt, das Bischofshaus seiner Diözese verkaufen zu wollen, um den Entschädigungsfonds für Opfer sexuellen Missbrauchs aufzustocken. Man wollte unbedingt vermeiden, Gelder für Pfarreien oder Seelsorge für Missbrauchsentschädigungen zu beschneiden. Eine Verbindung zu konkreten Fällen wurde nicht gezogen.
Santier wurde 1973 in der Normandie zum Priester geweiht und gründete 1977 eine neue geistliche Gemeinschaft. In den 1990er-Jahren galt er als führende Gestalt der charismatischen Erneuerung der katholischen Kirche in Frankreich. 2001 wurde er zum Bischof von Luçon ernannt und wechselte 2007 als Bischof nach Créteil, das ein Suffraganbistum des Erzbistums Paris ist. Von 2002 bis 2005 war Santier Vorsitzender des bischöflichen Komitees für geistliche Erneuerungsbewegungen. (fxn)
18. Oktober 2022, 13.15 Uhr: Stellungnahme von Bischof Laurent Le Boulc’h und Informationen zum Bischofshaus ergänzt.