Manche Länder oder Bistümer hätten bei Prozess nur pro forma mitgemacht, aber...

Hollerich zu Weltsynode: Gläubige werden nicht instrumentalisiert

Veröffentlicht am 11.11.2022 um 14:16 Uhr – Lesedauer: 

Eisenstadt ‐ "Die Menschen können darauf vertrauen: Wir hören auf sie, sie werden nicht instrumentalisiert": Kardinal Jean-Claude Hollerich nennt zentrale Anliegen der Katholiken, die bislang im weltweiten synodalen Prozess deutlich geworden seien.

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Sehr zufrieden mit der Beteiligung und dem Engagement der Ortskirchen für die Weltsynode der katholischen Kirche zeigt sich der zuständige Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich. Zwar gebe es auch Länder oder Bistümer, die in der ersten Phase des weltweiten Prozesses nur pro forma mitgemacht hätten; aber grundsätzlich sehe man einen großen Aufbruch in der Kirche, sagte Hollerich im Interview der Nachrichtenagentur Kathpress (Freitag) im österreichischen Eisenstadt. Auch Kirchenferne zeigen nach seinen Worten wieder Interesse und fühlten sich ernst genommen und gehört. Freilich sei der Hauptteil der Arbeit noch zu tun, so der Kardinal. Als vom Papst benannter "Generalrelator" der Synode hat Hollerich eine Schlüsselaufgabe für die Moderation und inhaltliche Arbeit der Weltbischofssynode im Oktober 2023 in Rom.

Das Ende Oktober vom Vatikan veröffentlichte und seit Donnerstag auch auf Deutsch vorliegende Arbeitsdokument, das die bisherigen Ergebnisse des Prozesses zur Weiterarbeit in der zweiten, kontinentalen Phase der Weltsynode bündelt, sei eine getreue Wiedergabe dessen, was die Menschen bislang eingebracht hätten, sagte Hollerich: "Die Menschen können darauf vertrauen: Wir hören auf sie, sie werden nicht instrumentalisiert." Das sei auch die Aufgabe der Bischöfe, was man "zuletzt vielleicht etwas vergessen hat", so der Luxemburger Erzbischof. Hollerich nannte einige zentrale Anliegen der Katholiken, die bislang im Prozess deutlich geworden seien. Überall auf der Welt gelte: "Wir dürfen keine Kirche sein, die Leute ausschließt. Wir müssen mit allen zusammen unterwegs sein." Es gebe regional verschiedene Kategorien von Ausgeschlossenen, so der Kardinal. So sei in Afrika etwa Polygamie ein großes Thema.

Frauen und Abkehr vom Klerikalismus

Als zweites großes Thema nannte der Synoden-Funktionär die Frauen. Auch hier gebe es verschiedene Akzentuierungen. Im Westen wünschten viele ein Frauen-Diakonat oder gar Frauenpriestertum. Auf anderen Kontinenten sei das nicht so. "Ganz wichtige Punkte" seien aber überall, "dass Frauen in der Kirche mehr Platz eingeräumt werden muss; dass es für sie mehr Mitspracherecht gibt; dass die Kirche in jenen Ländern für die Rechte von Frauen eintritt, wo diese nicht gegeben sind". Ein dritter zentraler Punkt des synodalen Prozesses seien eine Abkehr von Klerikalismus sowie mehr Mitverantwortung von Gläubigen. Nun müsse auch in den Ortskirchen mit den bisherigen Erkenntnissen weitergearbeitet werden, betonte Hollerich.

Es gebe viele Punkte, die nicht die Weltkirche beträfen, sondern in den Ortskirchen behandelt und auch entschieden und umgesetzt werden könnten. Das werde er selbst etwa auch in Luxemburg so halten. Er werde keine Entscheidungen allein treffen, kündigte der 64-Jährige an, der auch Präsident der EU-Bischofskommission COMECE ist. "Es ist ja nicht so, dass der Geist Gottes allein im Bischof wirkt. Das wäre für den Geist Gottes doch ein sehr eingeschränkter Weg, um sich der Welt mitzuteilen." Er wolle die Menschen hören und gemeinsam mit ihnen entscheiden.

Linktipp: Vatikanisches Arbeitsdokument zur Bischofssynode nun auch auf Deutsch

Bereits Ende Oktober veröffentlichte der Vatikan das Arbeitsdokument für die sogenannte kontinentale Etappe der Bischofssynode 2021-2024. Nun endlich liegt es auch in deutscher Übersetzung vor.

Weiter ermahnte Hollerich Europa eindringlich zu Solidarität und Zusammengehörigkeit. Der Kontinent komme nur geeint gut durch den Winter, sagte der Luxemburger Erzbischof. Engagement für den Frieden sei "Aufgabe der Christen". Die COMECE arbeite in der Ukraine-Frage sehr eng mit der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) zusammen, in der alle nichtkatholischen Kirchen inklusive der Orthodoxie vertreten sind. "Zusammen versuchen wir, Wege des Friedens zu finden", sagte Hollerich. Viel könne er aber nicht über diese Bemühungen preisgeben; denn sonst wären sie auch schon wieder zu Ende, so der Kardinal.

Zur Frage, ob Europa solidarisch genug sei, um gemeinsam durch die Energiekrise im Winter zu kommen, sagte er, er hoffe, "dass wir moralisch so stark sind, dass wir nicht nur auf unser eigenes Wohlergehen schauen". Dann würde Europa erpressbar und könnte seinen Wohlstand nicht mehr lange halten. Hollerich bekräftigte im Interview auch seine Position für einen EU-Beitritt der Ukraine. Nur eine solche Mitgliedschaft könne das Land auf Dauer schützen. Freilich müsse die Ukraine dazu gewisse Standards erreichen. Nach dem Krieg müsse "auch die Korruption noch entschiedener bekämpft werden". Europäische Gespräche über einen "Marshallplan" für die Ukraine begrüßte er; die Politik müsse aber vom Reden in die Tat kommen.

"Es funktioniert nicht, weil wir keine Christen mehr sind"

Zum Scheitern einer fairen gemeinsamen EU-Asylpolitik urteilte der Kardinal: "Es funktioniert nicht, weil wir keine Christen mehr sind. Wir sind Kulturchristen geworden." Papst Franziskus betone immer wieder, "dass heute die Flüchtlinge unsere Nächsten sind, für die wir uns einsetzen müssen". Wenn uns das als Christen "nicht mehr zu Herzen geht, dann wird deutlich, dass Europa postchristlich ist", so Hollerich. Und: "Wenn uns die Menschlichkeit verloren geht, dann sollen wir aufhören, über das Christsein zu sprechen." – Der Kardinal hat in seinem Bischofshaus in Luxemburg Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern und mit verschiedenen Religionen untergebracht.

Hollerich, der wie der Papst dem Jesuitenorden angehört, sagte, er habe keine Angst vor einer wachsenden Zahl an Muslimen in Europa. Nicht das Erstarken des Islam sei das Problem, sondern die Schwäche des Christentums; "und dafür sind nicht die Muslime zuständig, das liegt in unserer eigenen Verantwortung". In diese Kritik schließe er auch die katholische Kirche ein, "weil wir scheinbar die Botschaft Christi nicht so verkünden, dass sie die Leute heute verstehen können". (tmg/KNA)