Letzte Ruhestätte für über 1.000 Mitglieder des Ordens aus aller Welt

Club der toten Theologen: Der Jesuiten-Friedhof in Rom

Veröffentlicht am 13.11.2022 um 12:00 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ Auf dem römischen Hauptfriedhof Verano liegen viele bekannte Persönlichkeiten begraben, wie etwa Bud Spencer. An einem Ort stapeln sich ihre Überreste buchstäblich: in der viergeschossigen Grabkapelle des Jesuitenordens.

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Illustre Gespräche könnten es desnachts sein, ruhten sie nicht hinter dicken weißen Marmorplatten. Da liegt der vom Vatikan gemaßregelte belgische Jesuit Jacques Dupuis (1923-2004) schräg gegenüber dem für seine theologischen Verdienste geehrten Exegeten Kardinal Albert Vanhoye (1923-2021). Über ihm: der kürzlich gestorbene Verteidiger von Papst Pius XII., Peter Gumpel (1923-2022). Der mit dem Karnevalsorden ausgezeichnete Kölner Dogmatiker und Berater der vatikanischen Glaubensbehörde Kardinal Karl Josef Becker (1928-2015) wäre sicherlich auch für einen Plausch zu haben.

Die vier Jesuiten sind nur eine kleine Auswahl des gesammelten Theologentums, das auf den vier Etagen der römischen Jesuitengruft seine letzte Ruhe gefunden hat. Über 1.000 tote Ordensmänner – zumeist Priester – liegen derzeit in den 179 marmornen Gräbern auf dem größten Friedhof im Zentrum Roms. Einige wurden in den für die Öffentlichkeit zum Teil unzugänglichen Zwischenräumen der Gruft beigesetzt, die sterblichen Überreste weniger unter dem Altar der Kapelle.

Seit 1873 beerdigen die Jesuiten auf dem Campo Verano ihre Toten. Waren es zuerst die Mitglieder der römischen Provinz, durften später die Angehörigen des italienischen Ordensgebiets hierher ein letztes Mal umziehen; ebenso diejenigen, die in Rom gestorben waren.

Bis zu jenem Zeitpunkt verteilte der Orden seine toten Mitglieder auf verschiedene römische Kirchen, die von ihnen betreut wurden. Dutzende Gebeine liegen etwa noch heute in Sant'Ignazio, Sant'Andrea al Quirinale oder in Il Gesu. Aber schon Mitte des 19. Jahrhunderts verbot Italien aus hygienischen Gründen Bestattungen dieser Art. Um die Ausbreitung von Seuchen zu vermeiden, sollten die Toten außerhalb der Stadtmauern beigesetzt werden. Mit dem Ende des Kirchenstaats 1870 wurde dieses Gesetz auch auf Rom und andere päpstliche Territorien ausgedehnt. Der Verano-Friedhof wurde erweitert und viele religiöse Orden begannen, Kapellen für ihre Mitglieder zu bauen – so auch die Gesellschaft Jesu.

Die Jesuiten-Gräber in Rom
Bild: ©KNA/Severina Bartonitschek

Die Gräber in der Grabkapelle des Jesuitenorden auf dem Friedhof Verano in Rom sind die letzte Ruhestätte vieler großer Theologen. Vor einigen Grabstätten stehen Blumen und Kerzen, am Ende des Flures ein Altar mit einem Gemälde, das den auferstandenen Jesus Christus zeigt.

Ihre heutige Unterbringung für tote Patres erinnert an die Aufteilung eines Hauses: vier Etagen mit Treppenhaus und Terrassen. Die oberste Etage, zugleich eine Kapelle, ist den ehemaligen Chefs und einigen Kardinälen des Ordens vorbehalten. Hier ruhen auch die deutschen Jesuiten Franz-Xaver Wernz (1842-1914) und Kardinal Franz Ehrle (1845-1934). Auf einem der höchsten Vorsprünge des teilweise in die Höhe gebauten Friedhofs schweift hier der Blick über Pinien und die römische Umgebung.

Vor dieser Kapelle erhebt sich auch die Kuppel, die dem Inneren der Grabstätte Licht spendet. Über drei Stockwerke erstreckt sich die Rotunde über dem kleinen Altar im Erdgeschoss. Am Ende eines jeden mit Gräbern gesäumten Flures öffnet sich der Blick in die Höhe.

Der Auferstandene begrüßt die Besucher der Grabkapelle

Verkehrsgünstig und zugleich etwas "unruhig" liegt die Ruhestätte an der zweispurigen Hauptstraße des Friedhofs. Keineswegs nur Fußgänger nutzen den Weg, um Kerzen und Blumen auf die Gräber ihrer Angehörigen zu stellen. Viele Besucher fahren mit ihren Privatfahrzeugen über den rund 83 Hektar großen Friedhof. Wie in Italien üblich, nicht immer mit den vorgeschriebenen höchstens 20 km/h. Für die wenigen nichtmotorisierten Römer setzt die Friedhofsverwaltung einen Bus ein. Die nächste Haltestelle ist nur einen Katzensprung vom Jesuitengrab entfernt.

Von außen ein unscheinbarer kleiner Torbogen in einer hohen Backsteinmauer, lässt nur die Aufschrift "Societas Jesu" (Gesellschaft Jesu) etwas Größeres vermuten. Tatsächlich eröffnet sich hinter der knarzigen Metalltür ein viele Meter langer Flur. An dessen Ende begrüßt der auferstandene Jesus Christus die Besucher mit ausgebreiteten Armen über einem kleinen Altar.

IHS
Bild: ©KNA/Severina Bartonitschek

Ein Fenstergitter mit den Buchstaben "IHS" für Jesus Christus in der Grabkapelle des Jesuitenorden auf dem Friedhof Verano.

Die gesamte Grabstätte ist in hellen Farben gehalten – vom Steinboden über die Marmorgräber, die sich an beiden Wänden erheben, bis zur Decke. Längst werden die rostigen Kerzenhalter aus Metall nicht mehr gebraucht. Indirekte Beleuchtung lässt den Besucher in den Club der toten Theologen eintauchen.

Nur wenige Blumen und Grabkerzen stehen vor den durchnummerierten Gräbern mit den kleinen Namensschildchen in der Mitte. Im Tod sind hier alle gleich. Sogar die mitunter ausländischen Vornamen wurden für den letzten irdischen Aufenthaltsort ins Italienische übersetzt. Einziges Dekor sind das hier und da ins Metall eingelassene jesuitische Kürzel IHS für "Iesus Hominum Salvator" – Jesus, Retter der Menschen – und eine etwas schief von der Decke baumelnde Opferkerze in der zweiten Etage.

Einige Jesuiten teilen sich die etwa 1,60 Meter langen Gräber, um Platz für ihre später verstorbenen Mitbrüder zu schaffen. Im Erdgeschoss liegen die in jüngerer Zeit gestorbenen Ordensmänner. Je höher man über die enge eiserne Wendeltreppe nach oben steigt, desto länger ruhen sie bereits hier. In den Fußboden eingelassene Metallgitter verbinden die Etagen optisch miteinander. So können auch die ehemaligen Generaloberen des Ordens in ihrer eigenen Kapelle noch ein Auge auf die Mitbrüder werfen.

Zwar kein Generaloberer, aber immerhin Kirchenoberhaupt ist der Jesuit Papst Franziskus. Er besuchte den Friedhof zuletzt 2015 und feierte dort die Messe zu Allerheiligen. Ein Plätzchen in ihrer Gruft freiräumen müssen ihm seine jesuitischen Mitbrüder aber nicht. Auch wenn der Argentinier in Rom stirbt, wird er – sofern er im Testament nichts anderes festlegt – im Petersdom beigesetzt. Und der ist sogar noch ein bisschen verkehrsgünstiger gelegen als die Jesuitengruft.

Von Severina Bartonitschek (KNA)