Halleluja, der echte Jesus ist auf Twitter! Oder doch nicht?
Würde Jesus twittern? Diese Frage geisterte in den vergangenen Jahren regelmäßig durchs Netz – doch einen echten Account bei dem sozialen Netzwerk hatte der Sohn Gottes aus naheliegenden Gründen bislang nicht. Doch das hat sich jetzt geändert: Seit wenigen Tagen ist der Twitteraccount @jesus mit einem blauen Haken versehen und damit scheinbar als echt verifiziert. Dem "Zimmermann, Heiler, Gott", wie sich Jesus Christus bei dem Dienst selbst nennt, folgen mehr als 840.000 User. Halleluja!
Wer das Chaos rund um die Übernahme von Twitter durch Elon Musk und dessen erratisches Agieren bei dem Dienst in den vergangenen Tagen verfolgt hat, ahnt allerdings schon: Die Sache mit dem Haken hat einen Haken. Während das kleine Abzeichen jahrelang dafür stand, dass ein entsprechender Account tatsächlich "echt" war und wirklich einem Prominenten oder einem Unternehmen gehörte, ist diese Gewissheit inzwischen Vergangenheit. Denn Musk hat den Haken als eine seiner ersten Amtshandlungen zum Teil eines Abonnements namens "Twitter Blue" gemacht. Wer im Monat acht Dollar bezahlt, bekommt zumindest in einigen Ländern – ganz ohne Identitätsprüfung – nun ebenfalls das begehrte Abzeichen.
Acht Dollar für einen blauen Haken
Oder bekam es zumindest ein paar Tage lang. Denn weil durch Musks Entscheidung zuletzt eine Welle von Fake-Accounts als "echt" verifiziert wurde und dies für massive Irritationen und Missverständnisse sorgte, hat Twitter die Vergabe weiterer blauer Haken vorerst gestoppt. Wie es weitergeht, ist – typisch Musk – noch völlig unklar. @jesus war gleichwohl schnell genug und hat sich für acht Dollar den blauen Haken gesichert. Bei genauerem Hinsehen kann man allerdings erkennen, dass es sich trotz des Abzeichens tatsächlich nicht um den echten Sohn Gottes handelt. Wer mit der Maus auf den Haken klickt, erfährt, dass der Account verifiziert wurde, "weil er Twitter Blue abonniert hat".
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Doch warum hat der Inhaber des bereits seit Oktober 2006 existierenden Accounts sich nach so vielen Jahren überhaupt verifizieren lassen? Gegenüber dem Magazin "Business Insider" erklärte der unbekannte Internetnutzer am Freitag, er habe mit seiner Aktion zeigen wollen, wie absurd das neue Verifizierungssystem von Twitter sei. "Ich bin ganz offensichtlich nicht Jesus. Er hat kein Twitter-Konto, warum kann ich also verifiziert werden? Das ergibt doch keinen Sinn", so @jesus.
Er habe den Account einst eingerichtet, weil er zu christlichen Feiertagen wie Weihnachten oder Ostern witzige Tweets veröffentlichen wollte. Unter anderem habe er einmal direkt nach Ostern über die Auferstehung Jesus gescherzt, in dem er "Don't call it a comeback" getwittert habe. Er sei selbst nicht religiös, sondern wolle als @jesus "nur etwas Freude und Lachen in das Twitter-Universum bringen". Mit der Möglichkeit, seinen Satire-Account verifizieren zu könne, hat der Nutzer bis vor Kurzem nach eigenen Angaben nicht gerechnet: "Ich habe mich schon früher um eine Verifizierung beworben und wurde abgelehnt." Als Musk die Regeln geändert habe, habe er aber sofort gewusst, dass nun sein Zeit gekommen sei – und die Verifizierung habe dann auch sofort geklappt: "Ich kaufte das 'Twitter Blue'-Abonnement, und als ich 'Apple Pay' bestätigt hatte und Twitter erneut öffnete, war ich verifiziert."
"Das ist keine Performance-Kunst auf Banksy-Niveau"
Dass sein Account eigentlich Satire ist, scheinen manche Nutzer allerdings nicht zu wissen – oder sie ignorieren es. Gegenüber "Business Insider" erzählte @jesus nämlich, dass ihm Menschen immer wieder Gebetsanliegen schicken: "Ich denke, sie wissen, dass ich nicht Jesus bin, aber vielleicht ist es trotzdem beruhigend für sie, ihr Anliegen in die Welt zu schicken." Die Bitten erreichten ihn aus der ganzen Welt und in verschiedenen Sprachen. "Manchmal schicke ich eine ermutigende Nachricht zurück, aber ich bin mir der Tatsache bewusst, dass ich kein ausgebildeter Psychologe bin und nicht über die beruflichen Qualifikationen verfüge, um mit dieser Art von Dingen umgehen zu können", so der Accountinhaber.
Wie es mit @jesus weitergehen soll, weiß er nach eigenen Angaben selbst noch nicht. "Ich wünschte, ich könnte sagen, dass ich einen Masterplan habe – aber ehrlich gesagt, ich lasse es einfach auf mich zukommen." Nach 14 Jahren habe er das Gefühl, alle Jesus-Witze durchgespielt zu haben. Dass es sich bei seinem Account um Blasphemie handeln könnte, glaubt der unbekannte User gleichwohl nicht. Trotzdem bekomme er immer wieder Nachrichten, dass er in die Hölle kommen oder man ihm etwas antun werde: "Aber ich möchte, dass die Leute wissen, dass ich nur Spaß machen und mich amüsieren will. Das ist keine Performance-Kunst auf Banksy-Niveau." Na dann, Amen.