"Natürlich war ich Gerd-Müller-Fan"

Sportbischof Oster zur Fußball-WM: Geld macht Sport kaputt

Veröffentlicht am 16.11.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Passau ‐ Ein Fußballfan ist Sportbischof Stefan Oster allemal. Im Interview erzählt er, wie er am liebsten Fußball guckt und was er von einem Boykott der WM hält. Außerdem: Wo gibt es die Gleichberechtigung schneller – im Fußball oder in der Kirche?

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Deutschlands Sportbischof Stefan Oster (57) war bis zu seiner Berufung nach Passau ein passabler Kicker, wie er sagt. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) zur Weltmeisterschaft in Katar gibt er Einblicke in sein Fußballer-Herz. Gottesdienste im Passauer Dom werden aber nicht verschoben, nur weil dann vielleicht die deutsche Mannschaft spielt.

Frage: Bischof Oster, es soll Menschen geben, die gegen das Fußball-Virus immun sind. Sie auch?

Bischof Stefan Oster: Nein. Ich bin immer noch Fan von Bayern München. Mir hat mal ein Werbemensch gesagt: Was man als Kind im Herzen hat, das bleibt da drin. Das ist auch bei mir der Fall.

Frage: Wann und wie stark wurden Sie infiziert?

Oster: Bei der WM 1974 in Deutschland war ich neun. Die läuft in meiner Erinnerung noch wie ein Film ab, viel intensiver als alles danach. Ich habe innerlich noch fast jedes Spiel vor Augen. Ich glaube, ich habe als Junge zum ersten Mal auch ein bisschen mehr kapiert, als dass da nur so ein paar Leute hinterm Ball herrennen. Und natürlich war ich Gerd-Müller-Fan, weil der immer die Tore geschossen hat.

Frage: Wie intensiv verfolgen Sie noch das Geschehen in den Stadien?

Oster: Mein Vater lebt inzwischen in Passau. Er findet es klasse, wenn ich abends mit ihm Champions League anschaue. Da komme ich dann zu ihm ins Pflegeheim. Früher hatte ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich ein ganzes Spiel angeschaut habe. Jetzt – zusammen mit meinem Vater – nicht mehr. Wir haben beide daran große Freude.

Frage: Haben Sie selbst auch mal gekickt?

Oster: Nicht im Verein, aber immer so nebenbei. Bis ich als Bischof nach Passau gekommen bin, habe ich mit den Studenten in Benediktbeuern auch Fußball gespielt; nicht wahnsinnig gut, aber sehr gern.

Stefan Oster, Bischof von Passau, im Gespräch im Bischöflichen Ordinariat in Passau
Bild: ©KNA/Maria Irl (Archivbild)

Stefan Oster, Bischof von Passau, ist der Sportbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz.

Frage: Abwehr oder Angriff?

Oster: Meistens Angriff.

Frage: Altbundeskanzler Gerhard Schröder nannten seine Kickerfreunde "Acker". Hatten Sie auch einen Spitznamen?

Oster (lacht): Nee. Aber ich war ziemlich ehrgeizig, weil ich von meiner philosophischen Grundeinstellung her der Meinung bin: Wenn man etwas macht, dann soll man es mit ganzem Herzen machen. Und wenn dann einer so larifari umeinandergelaufen ist und sich nicht richtig reingehängt hat, konnte ich schon mal säuerlich reagieren.

Frage: In der Oberpfalz gab es noch nie erstklassigen Fußball. Ein Problem für den dort geborenen und aufgewachsenen Fan Stefan Oster?

Oster: Überhaupt nicht. Immerhin gibt es zweitklassigen Fußball. Mit einem halben Auge verfolge ich immer noch, wie es Jahn Regensburg in der Zweiten Liga ergeht. Sie spielen zwar nicht vorne mit, aber sie bleiben drin.

Linktipp: Sportbischof Oster: Kirche und Sport können gemeinsam viel bewirken

Die Deutsche Bischofskonferenz ernannte den Passauer Bischof Stefan Oster zum Sportbeauftragten. Im Interview spricht er über seine Verbindung zum Sport und darüber, welche Sport-Persönlichkeit ihn inspiriert.

Frage: Werden Ordinariatssitzungen, Gemeindebesuche oder Gottesdienste im Passauer Dom verschoben, weil die deutsche Mannschaft eine WM-Partie absolviert?

Oster: Nein. Ich treffe mich ja sonntags vierzehntägig abends mit jungen Menschen zum Gebetskreis "Believe and Pray". Das haben wir, glaube ich, schon mal verkürzt und dann den Fernseher eingeschaltet. Aber offizielle Termine verschieben, das passiert nicht.

Frage: Ein Turnier in der Wüste, wo auf natürliche Weise gar kein Rasen wächst – wie sehr hat sich die Publikumssportart Nummer eins von ihren Ursprüngen entfernt?

Oster: Ach ja. Kommerzialisierung, dieser – biblisch gesprochen – Sündenfall. Dass Geld alles dominiert und der Weltfußballverband Fifa so von der Gier getrieben ist, das macht den Sport eigentlich kaputt – und lässt auch mein eigenes Interesse immer geringer werden. Ich guck zwar immer noch: Wie hat Bayern gespielt? Aber ganz ehrlich, wenn zehnmal hintereinander die mit dem meisten Geld Deutscher Meister werden, ist das nicht sooo toll.

Frage: Konsumieren, kritisieren, boykottieren – welche Haltung ist für den ethisch sensiblen Zuschauer angesichts der Menschenrechtslage in Katar angemessen?

Oster: Wenn einer Freude am Fußball hat, dann darf er das immer noch gucken. Da will ich niemandem ein schlechtes Gewissen machen. Kritik verdient die Vergabe des Turniers vor zwölf Jahren, wer da was unter welchen Bedingungen entschieden hat. Dass die WM dann doch noch auf den Winter verschoben wurde, ist immerhin etwas gesünder für die Sportler. Aber wenn es stimmt, dass Tausende Arbeitsmigranten für den Bau der Stadien gestorben sind, ist das tatsächlich eine humanitäre Katastrophe und ein moralisches Desaster für die FIFA und das Land selbst.

Frage: Im Weltfußball kämpfen Frauen um Gleichberechtigung – wie in der katholischen Kirche auch. Wo werden sie sich schneller durchsetzen?

Oster (lacht): Das ist jetzt wieder so eine von Ihren Fragen ... Also, ausgenommen das sakramentale Weiheamt ist bei uns Gleichberechtigung möglich. Ich glaube auch, dass wir in der Kirche von Passau da auf keinem schlechten Weg sind. Und die Frage ist ja auch ziemlich zweischneidig. Haben bei der Frauenfußball-Europameisterschaft die Leute nicht gerade deshalb gerne zugeschaut, weil dort der Sport noch nicht so kommerzialisiert ist? Wer Interesse an ehrlichem Sport hat, ist also beim Frauenfußball vielleicht sogar besser aufgehoben als bei einem Männersport, wo für einzelne Spieler hunderte von Millionen Euro bezahlt werden.

Von Christoph Renzikowski (KNA)