Bischof Hinder: Darum halte ich mich mit Kritik an Katar-WM zurück
Der langjährige "Arabien-Bischof" Paul Hinder hält sich mit öffentlicher Kritik an der Fußball-WM in Katar aus diplomatischen Gründen zurück. "Auch wenn ein Bischof in dieser Gegend noch als moralische Autorität gilt, ist doch seine Position in sozialpolitischer Hinsicht schwach", sagte der 80-Jährige der "Neuen Zürcher Zeitung" (Donnerstag). "Öffentliche Kritik ist verpönt." Sie könnte den Dienst gegenüber den eigenen Gläubigen infrage stellen, da ein Kirchenmann seine "Niederlassungsbewilligung" jedes zweite oder dritte Jahr erneuern müsse – "so wie andere Leute auch", sagte Hinder. "Wer nicht den Ast absägen will, auf dem er sitzt, wird daher automatisch vorsichtig sprechen", so der Bischof.
"Andererseits kann man sehr wohl im Gespräch mit den Herrschenden auf wunde Punkte hinweisen und die Probleme zur Sprache bringen, die den Monarchen oft zu wenig bewusst sind", sagte Hinder, der 18 Jahre lang Bischof auf der Arabischen Halbinsel war. Zugleich zeigte er Verständnis für die Kritik an der WM. Allerdings sei es jetzt zu spät dafür. Heute leben auf der Arabischen Halbinsel 3,5 Millionen Katholiken, überwiegend Arbeitsmigranten aus Asien. Hinder war bis zu seinem altersbedingten Rücktritt im Mai Apostolischer Vikar für Südarabien mit Sitz in Abu Dhabi, zuletzt auch Administrator für Nordarabien. Damit betreute der Schweizer Kapuziner den größten Kirchenbezirk der Welt.
Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte Hinder im Mai, Fußball-Weltmeisterschaften seien immer und überall Show-Veranstaltungen – nicht nur in Katar. "Wir wissen, dass die Vergabe nicht lupenrein über die Bühne ging, was allerdings auch für frühere WMs gilt." Die Problematik der Ausnutzung von Arbeitskräften sei bekannt, allerdings keine Besonderheit Katars. "Ob und inwieweit eine solche Veranstaltung zu mehr Toleranz und Weltoffenheit beiträgt, bleibt abzuwarten", sagte der Bischof. "Ich würde den Nutzen nicht überschätzen, haben doch solche Events auch in Russland, Brasilien und anderswo nur beschränkte Nachhaltigkeit entwickelt." Die WM werde jedoch dem Selbstbewusstsein Katars und anderer arabischer Staaten neuen Schub verleihen, sagte Hinder.
Oster: Möchte Fußball-Fans kein schlechtes Gewissen einreden
Auch der Sportbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Stefan Oster, äußerte sich kurz vor WM-Start noch einmal zum sportlichen Großereignis und den Menschenrechtsverletzungen im Gastgeberland. Es sei richtig, die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Katar kritisch in den Blick zu nehmen, sagte der Passauer Bischof laut DBK-Mitteilung am Donnerstag in Bonn. Als Sportbischof wolle er jedoch den Fans, die vor Ort und in den Medien die WM verfolgten, "kein schlechtes Gewissen einreden". "Freude am Sport, auch an weltweiten Mega-Events, hat ihr eigenes Recht, auch wenn sie durch die extreme Kommerzialisierung gerade des Fußballs getrübt sein mag."
Oster wies darauf hin, dass Frauen in Katar weiterhin zurückgesetzt würden. Nicht-islamischen Religionen, auch dem Christentum, die unter den Arbeitsmigranten stark vertreten seien, werde Freiheit nur in eingeschränktem Maße zugebilligt. Sexuelle Minderheiten unterlägen strafrechtlicher Verfolgung. All dies sei – nicht nur in westlicher Sicht – Ausdruck einer repressiven Staats- und Gesellschaftsordnung, die sich nur langsam verändere.
Die Erfahrung lehre, dass sportliche Großereignisse wie Weltmeisterschaften und Olympische Spiele die gesellschaftliche und politische Situation in den Austragungsländern üblicherweise nicht langfristig verbesserten. Gerade deshalb bleibe es die Aufgabe der internationalen Gemeinschaft, auch nach dem Ende der WM in Katar die Reformkräfte im Land weiter zu unterstützen und in der Aufmerksamkeit für die Menschenrechte nicht nachzulassen, appellierte der Bischof. (tmg/KNA/epd)