Theologe Halik: Reformen des Synodalen Weges reichen nicht aus
Die Reformbemühungen des Synodalen Wegs in Deutschland sind nach Ansicht des tschechischen Theologen Tomas Halik zwar notwendig. Sie genügten aber nicht für eine wirksame Belebung des christlichen Glaubens, sagte er in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview der Verlagsgruppe Bistumspresse. Notwendig sei vielmehr eine "Kultur der geistlichen Unterscheidung", um "von dort aus Licht in eine tiefere Sicht auf uns selbst und die Welt um uns herum zu bringen".
Kirchen in Europa leeren sich nach Meinung des Theologen, weil kirchliche Verkündigung nicht auf existenzielle Fragen und geistliche Bedürfnisse der Menschen von heute eingehe. Angesichts des Niedergangs von Pfarreien brauche es "Zentren der Kontemplation und Aktion" sowie anderer Initiativen, um "die Zivilgesellschaft mit dem Geist des Evangeliums zu bereichern".
Weder importierte Priester noch "viri probati" als Problemlöser
Da weder der Import von Priestern aus Polen oder Afrika noch sogenannte "viri probati" – verheiratete Priester – die Probleme lösten, könnten solche Zentren eine ähnliche Rolle spielen wie Missionsklöster in ferner Vergangenheit. "Sie dürfen jedoch nicht Gruppen mit sektenähnlichem Charakter anvertraut werden", warnte Halik. Auch dürften Christen heute nicht plump um Menschen werben, sondern müssten ihnen "geistliche Begleitung im Geiste des gegenseitigen Respekts und des Dialogs" anbieten.
Glaube und Zweifel brauchten einander wie zwei Schwestern, so der Priester Halik. "Kritisches Denken hilft dem Glauben, nicht in Fanatismus, Bigotterie und Fundamentalismus zu verfallen; der Glaube hilft dem Zweifel, nicht in zynischen Pragmatismus oder Resignation zu verfallen." Dieser Dialog finde im Inneren, in den Köpfen und Herzen vieler Menschen statt. Er müsse daher "gefördert und kultiviert werden".
Das System der katholischen Kirche insgesamt habe Verständlichkeit und Glaubwürdigkeit verloren, so der Soziologe und Religionsphilosoph weiter. Der Katholizismus, entstanden als "Gegenkultur zu Protestantismus und Moderne, Liberalismus und Sozialismus" sei nicht mehr in der Lage, "mit anderen Systemen der Gesellschaft zu kommunizieren". Der im 19. Jahrhundert entstandene Katholizismus sei eine Abkehr von echter "Katholizität, der Universalität und Offenheit des Christentums". Diese, auch plurale Katholizität gelte es wiederzufinden. (KNA)