Franziskus sucht einen neuen Leiter für seinen früheren Bischofssitz
"Es geht ein Schlüssel-Erzbischof für die katholische Kirche" in Argentinien, so kommentierte vor einigen Tagen die konservative Tageszeitung "Clarin". Denn der Ruhestand von Kardinal Mario Poli bahnt sich an. Der Erzbischof von Buenos Aires wurde vor wenigen Tagen 75 Jahre alt – und erreichte damit jene Altersgrenze, an der Bischöfe dem Papst ihren Amtsverzicht anbieten müssen. Ob der ihn annimmt oder den Amtsinhaber bittet, noch etwas länger zu bleiben, steht allein im Ermessen des Kirchenoberhaupts.
In diesem Fall ist es eine besondere Angelegenheit. Denn Papst Franziskus war bis zu seiner Wahl im März 2013 selbst Erzbischof der argentinischen Hauptstadtdiözese. Die Kathedrale von Buenos Aires (Foto oben) liegt in Laufweite der "Casa Rosada", dem Amtssitz von Argentiniens Staatspräsidenten. Und der Erzbischof von Buenos Aires stellt traditionell bei einem Gottesdienst einmal im Jahr der Regierung eine Art Zeugnis aus. Nicht immer hören die jeweiligen Regierungschefs oder -chefinnen in der ersten Reihe zu; doch die mediale Aufmerksamkeit ist stets groß.
Die Personalie gilt als Fingerzeig
In Argentinien wird nun rege über die Nachfolge spekuliert. Die Personalie gilt auch als Fingerzeig, in welche Richtung Franziskus seine Heimatkirche führen will. Unter den Namen, die gehandelt werden, gelten drei als besonders aussichtsreich. Der in Buenos Aires geborene Erzbischof von Bahia Blanca, Carlos Azpiroz (66), stammt aus dem Dominikanerorden. Auch der Erzbischof von San Juan, Jorge Lozano (67), war einst Weihbischof in Buenos Aires; zu Zeiten, als Jorge Bergoglio, der heutige Papst, als Kardinal selbst noch die kirchlichen Fäden in der Hauptstadt zog. Lozano ist derzeit Generalsekretär des Lateinamerikanischen Bischofsrates CELAM und in der Kirchenhierarchie Argentiniens wie Lateinamerikas bestens vernetzt. Und dann ist da noch der Erzbischof von La Plata, Victor Manuel Fernandez (60), der aus Cordoba stammt und als ein enger Ratgeber und eine Art Spin-Doktor des Papstes gilt.
Erst vor wenigen Wochen hatte sich Franziskus besorgt angesichts der innenpolitischen Spannungen in seinem Heimatland geäußert. Seinen Brief nach einem gescheiterten Attentatsversuch gegen die linksgerichtete Vizepräsidentin Cristina Kirchner schrieb er an Erzbischof Fernandez – was einige Medien im Land als Hinweis deuteten, dieser sei der bevorzugte Ansprechpartner. "In Argentinien gibt es viel zu tun, damit alle mit Würde und Arbeit leben können und es keine Menschen zweiter Klasse gibt", schrieb der Papst im Oktober. "Aber mit aggressiver Polarisierung wird nichts Wichtiges oder Stabiles erreicht", gab er zu bedenken. Gewalt und Konfrontationen seien nie gut für ein Land. Das schade am Ende vor allem jenen, die ohnehin am meisten litten.
Eine zerstrittene, sich offen feindlich gegenüberstehende Gesellschaft
Die Entscheidung von Franziskus ist auch aus anderem Blickwinkel interessant: In Argentinien wird 2023 gewählt. Unklar ist, ob Präsident Alberto Fernandez erneut antritt; und ob die wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht stehende Ex-Präsidentin und amtierende Vizepräsidentin Kirchner ihren Hut in den Ring wirft. In den Reihen der Opposition bekommt der marktliberale Papstkritiker Javier Milei, der Franziskus gerne öffentlich verbal attackiert, großen Zulauf.
Der künftige Erzbischof von Buenos Aires muss dann die Kirche in Argentinien durch ein extrem polarisiertes Umfeld und eine zerstrittene, sich offen feindlich gegenüberstehende Gesellschaft führen. Und er muss die unterschiedlichen Lager zusammenführen: die klar linksgerichteten Armenpriester und die konservativen Kräfte, die zwar an Einfluss verlieren, aber immer noch vorhanden sind. Laut der eher linken Tageszeitung "Pagina 12" sucht sich das konservative politische Lager in Argentinien, einst der katholischen Kirche eng verbunden, inzwischen neue geistliche Partner. Eine "strategische Allianz" von Juntos por el Cambio (Gemeinsam für den Wandel) mit den Evangelikalen und den Libertären nehme immer mehr Gestalt an.