Statt Moschee: Muslime gehen zum Beten in christliche Kirchen
Muslime suchen zum Beten nicht nur Moscheen, sondern oft auch Kirchen auf. "Viele Muslime kommen her, verrichten hier etwa ihr Freitagsgebet, zum Beispiel wenn unsere Kirche näher zu ihrem Arbeitsplatz liegt als die Moschee", erklärte Pfarrer Christoph Sigrist vom Zürcher Grossmünster am Montag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Dies sei sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland zu beobachten, sagte der evangelische Theologe. Er forscht seit Jahren zum Thema "Citykirchen und Tourismus".
"Die Menschen binden sich nicht an die Institution, sondern an den Raum", betonte Sigrist. "Unsere reformierte Kirche ist zu einem interreligiösen Gebetsraum geworden." Angehörige anderer Religionsgemeinschaften kämen gern.
Frankfurter Stadtdekan bestätigt Eindruck
Der Frankfurter Stadtdekan und Dompfarrer Johannes zu Eltz bestätigte diesen Eindruck. "Hunderte Menschen besuchen täglich unseren Dom. Und es vergeht kein Tag, an dem ich hier nicht auch Muslime sehe." Dabei erlebe er die Menschen islamischen Glaubens, die zum Beten kämen, "als überdurchschnittlich ehrfürchtig und angemessen" in ihrem Verhalten. "Sie sind uns willkommen." Entsprechend würden auch die Sicherheitsleute der Kirche, die in der Frankfurter Innenstadt liegt, geschult.
Seit Beginn des Ukraine-Krieges besuchten auch sehr viele ukrainische Flüchtlinge mit orthodoxem Hintergrund seine Kirche, so Pfarrer Sigrist weiter. "Sie ist mit ihren beiden Türmen in der Mitte der Stadt für die Menschen, die hier ankommen, klar als Gotteshaus erkennbar – noch bevor sie wissen, wo sich die orthodoxen Kirchen befinden", erklärte Sigrist.
Diese Erfahrung teilt auch Pfarrer Michael Neudert von der Erfurter Innenstadtpfarrei Sankt Laurentius. Zur Zeit müsse das Gästebuch im Erfurter Dom alle drei Wochen ausgetauscht werden – "dann sind die 40 Seiten voll", berichtete er. Vieles sei in kyrillischer Schrift geschrieben. Aber auch deutsche Besucherinnen und Besucher sorgen sich um den Ukraine-Krieg: "Er ist bei vielen Menschen Thema". (KNA)