Gänswein in neuem Buch: Franziskus hat mich gedemütigt
Auszüge aus einem Buch von Erzbischof Gänswein haben am Freitag in italienischen Zeitungen für Schlagzeilen gesorgt. Die römische Tageszeitung "Il Messaggero" berichtete unter der Überschrift "Am Tag der Beerdigung ein Angriff von Georg gegen Bergoglio", dass Gänswein sich in dem Buch nachträglich über seine Beurlaubung durch Papst Franziskus beklage.
Als der amtierende Papst ihn im Februar 2020 von seinem Posten als "Präfekt des Päpstlichen Hauses" auf unbestimmte Zeit beurlaubte, sei er "schockiert und sprachlos" gewesen, so Gänswein. Er äußert sich in dem Buch "Nient'altro che la verita" (Nichts als die Wahrheit), von dem jetzt einige Auszüge vorab bekannt wurden. Der Papst beurlaubte Gänswein seinerzeit mit der Bitte, er solle sich von nun an ausschließlich um den emeritierten Papst kümmern, der bereits 92 Jahre alt war.
In einem von der italienischen Zeitung "Il Giornale" veröffentlichten Auszug schreibt Gänswein: "Benedikts Hoffnung, dass ich das Bindeglied zwischen ihm und seinem Nachfolger sein würde, war etwas naiv." Der langjährige Privatsekretär Benedikts berichtet von Irritationen, nachdem er beispielsweise von einem Treffen von Papst Franziskus mit der Gemeinschaft Sant'Egidio 2014 fernbleiben sollte. Demnach teilte Gänswein Franziskus im Anschluss mit, dieses Verhalten habe seine Autorität geschmälert und er habe sich dadurch auch persönlich gedemütigt gefühlt. "Er stimmte mir zu, dass ich recht hatte und er entschuldigte sich, fügte dann aber hinzu, dass die Demütigungen viel Gutes bewirken."
"Du bleibst Präfekt, kommst aber ab morgen nicht mehr zur Arbeit"
Nach den Diskussionen um das Buch "Des profondeurs de nos cœurs" ("Aus der Tiefe unserer Herzen") von Kardinal Robert Sarah im Januar 2020 habe Gänswein Franziskus noch einmal um eine Unterredung gebeten mit der Frage, wie er sich künftig verhalten solle. "Er wirkte etwas überrascht, sagte aber mit ernster Miene: 'Bleiben Sie fortan zuhause. Begleiten Sie Benedikt, der Sie braucht, seien Sie ihm ein Schutzschild.'" Einen Antwortversuch habe Franziskus abgeblock. "Sie bleiben Präfekt, kommen aber ab morgen nicht mehr zur Arbeit."
Benedikt XVI. habe damals die Entscheidung seines Nachfolgers mit den ironischen Worten kommentiert: "Ich denke, dass Papst Franziskus mir nicht mehr traut und dass er will, dass Sie mich bewachen." Er habe sich dann persönlich an seinen Nachfolger gewandt, um ihn umzustimmen, aber ohne Erfolg.
Unterdessen kommentierte der italienische Kurien-Erzbischof Vincenzo Paglia die jüngsten Veröffentlichungen aus dem Gänswein-Buch kritisch. "Schweigen wäre besser", sagte Paglia in der populären Hörfunk-Sendung "Radio Ach'io" der italienischen RAI. Es gebe offenbar Verletzungen und Schmerzen, aber es wäre trotzdem "besser zu schweigen und die wahre Botschaft von Benedikt XVI. zu suchen". Paglia (77) war über Jahrzehnte der Gemeinschaft Sant'Egidio eng verbunden und leitet seit 2016 die Päpstliche Akademie für das Leben.
Erzbischof Gänswein erklärte in dem Buch, das kommende Woche in Italien erscheinen soll, auch, dass er von Benedikt XVI. den Auftrag erhalten habe, dessen private Notizen vollständig zu vernichten. Demnach hat der emeritierte Papst (2005-2013) die Vernichtung seiner sämtlichen privaten Notizen schriftlich angeordnet, "ohne Ausnahmen und ohne Schlupflöcher", so Gänswein.
Dziwisz setzte sich über Lösch-Anordnung hinweg
Eine ähnliche Anordnung hatte es auch von Benedikts Vorgänger, Johannes Paul II. (1978-2005) gegeben. Dessen Privatsekretär Stanislaw Dziwisz setzte sich jedoch darüber hinweg, weil er wichtige private Aufzeichnungen des verstorbenen Papstes für die historische Forschung erhalten wollte.
Gänswein berichtet in dem Buch ferner, dass er vom verstorbenen Ex-Papst genaue Anweisungen erhalten habe, wem er was übergeben solle, vor allem aus seiner Bibliothek, von seinen Buchmanuskripten bis hin zu Dokumenten vom Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) und der Korrespondenz.
Zudem habe Benedikt XVI. Anweisungen bezüglich seines materiellen Erbes hinterlassen, für die er ihn, Gänswein, als Testamentsvollstrecker eingesetzt habe. Die diesbezüglichen Anweisungen habe der Ex-Papst mehrere Male aktualisiert, das letzte Mal im Jahr 2021. (cbr/KNA)