"Gefahren für Leib und Leben"

Kirchenvertreter fordern Aussetzung der Räumung von Lützerath

Veröffentlicht am 10.01.2023 um 17:45 Uhr – Lesedauer: 

Aachen/Lützerath ‐ Klimaaktivisten haben Lützerath am Braunkohletagebau Garzweiler besetzt, um eine Räumung des Dorfs zu verhindern. Auch Kirchenvertreter protestieren gegen den Abriss – und fordern von der Politik ein sofortiges Moratorium.

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Vertreter von katholischer und evangelischer Kirche wenden sich gegen die bevorstehende Räumung des vom Kohleabbau bedrohten Dorfs Lützerath. "Eine Räumung birgt Gefahren für Leib und Leben der Polizist*innen, die als Einsatzkräfte die Maßnahmen durchsetzen müssen, wie für die jungen Menschen, die verzweifelt Widerstand leisten, um unsere Zukunft hier und weltweit zu sichern", heißt es in einer am Dienstag in Aachen veröffentlichten gemeinsamen Erklärung des Diözesanrats der Katholik*innen im Bistum Aachen und der Superintendenten der Evangelischen Kirchenkreise Gladbach-Neuss und Jülich.

Die katholischen Laien und die evangelischen leitenden Geistlichen fordern von der nordrhein-westfälischen Landesregierung ein sofortiges Moratorium für die Räumung des Geländes. Stattdessen sollten sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen, um gemeinsam nach Wegen zu suchen, die zur Stromerzeugung noch notwendigen Kohlemengen zu sichern und dann schnellstens die Braunkohlenutzung zu beenden. "Ein Abbaggern Lützeraths in diesem Winter ist dafür keinesfalls nötig, da ausreichend Kohle für die Kraftwerke an anderen Stellen zur Verfügung steht."

"Eine Atempause dient der Deeskalation"

Die Kirchenvertreter sprechen sich gegen jede Form der Gewalt in der Auseinandersetzung um die Räumungen in Lützerath aus. "Wir teilen nicht alle Aktionsformen des Widerstandes und wir lehnen jede Form von Gewalt gegen Menschen und Sachen ab. Sie sind kontraproduktiv und entsprechen nicht unserem Friedensverständnis." Jetzt seien Gespräche mit allen Beteiligten dringend gefordert. Dabei komme es auf den sozialen Frieden in der Region an. "Eine Atempause dient der Deeskalation und schafft Zeit für klimapolitisch verantwortbare Entscheidungen."

Auch die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, rief zu Gewaltfreiheit im Konflikt um die bevorstehende Räumung auf. Lützerath sei der Ort, an dem in diesen Tagen gesellschaftliche Interessen- und Zielkonflikte hart aufeinanderprallten, erklärte sie am Dienstag in Bielefeld. Kurschus bekundete "Respekt vor allen, die friedlich von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch machen und sich für einen ambitionierten Klimaschutz in NRW engagieren". Richtig sei aber auch, dass der Staat die Aufgabe habe, bestehende Rechte durchzusetzen. Deshalb habe sie den gleichen Respekt vor Polizei und Behördenmitarbeitenden, die für diesen Grundsatz einstünden. Sie forderte die Aktivisten und Braunkohlegegner auf, "diesen Respekt auch im Protest gegen die Räumung zu wahren und zu zeigen".

Klimaaktivisten haben das Dorf Lützerath am Braunkohletagebau Garzweiler besetzt. Der Weiler liegt direkt an der Abbruchkante. Der Essener Energiekonzern RWE und die NRW-Landesregierung hatten sich im vergangenen Herbst darauf geeinigt, die Braunkohleverstromung bereits 2030 und nicht erst 2038 zu beenden. Zudem sollen fünf Dörfer im rheinischen Revier (Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich, Unterwestrich, Berverath) erhalten bleiben und nur Lützerath den Kohlebaggern weichen.

Das Bistum Aachen hatte erklärt, es respektiere demokratisch getroffene Entscheidungen. Zugleich bekundete die Diözese Verständnis für jene, die zu einer anderen Beurteilung kämen. "Wenn sie zivilen und gewaltfreien Widerstand leisten, dürfen sie dafür nicht kriminalisiert oder verunglimpft werden." (cbr/KNA/epd)

10.01.23, 18.50 Uhr: ergänzt um Statement der EKD-Ratsvorsitzenden Kurschus