"Damit kommt alles ins Rutschen"

Zehn Jahre AfD – Verhältnis zu den Kirchen bleibt angespannt

Veröffentlicht am 06.02.2023 um 15:04 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Seit der Gründung der AfD vor zehn Jahren hat der rechtsextreme Flügel in der Partei kontinuierlich an Einfluss gewonnen. Das belastet auch zunehmend das Verhältnis zu den Kirchen.

  • Teilen:

Wenn die AfD am Montag ihr zehnjähriges Bestehen begeht, werden nur noch wenige Gründungsmitglieder mitfeiern. Die meisten der 18 Personen, die am 6. Februar 2013 im Gemeindesaal der evangelischen Christuskirche von Oberursel im Taunus die "Alternative für Deutschland" ins Leben riefen, haben ihr den Rücken gekehrt – unzufrieden, frustriert oder im Streit. Als Hauptgrund nennen sie eine immer stärkere Öffnung gegenüber rechtspopulistischen bis rechtsextremen Tendenzen. Diese haben längst auch den Verfassungsschutz auf den Plan gerufen.

Ebenso hängt der Haussegen in der Beziehung zu den Kirchen nicht mehr nur schief. Führende Kirchenvertreter betonen die Unvereinbarkeit von Positionen der Partei mit dem christlichen Menschenbild. Auf politischer Ebene ist für Beobachter aus einem distanziert-kritischen fast schon ein Nichtverhältnis geworden.

Als der konservative Publizist Konrad Adam am 14. April 2013 den Gründungsparteitag in Berlin eröffnete, waren die heftigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden großen Kirchen und der AfD noch nicht absehbar. Aus der Wirtschafts- und Finanzkrise ging eine eurokritische Partei hervor – mit dem Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke an der Spitze.

Anziehungskraft auch für wertkonservative Christen

Bestimmend wurden aber bald andere wie der ehemalige CDU-Konservative Alexander Gauland. In der Sammlungsbewegung mit rechtskonservativer Programmatik und unterschiedlichen Flügeln – darunter ein neoliberaler und ein nationalkonservativer – gewannen die Rechtspopulisten und -extremen unter Führung von Björn Höcke immer mehr an Einfluss.

Anziehungskraft entwickelte die AfD zunächst auch für wertkonservative Christen, und das weit über den evangelikalen Bereich hinaus. Sie organisierten sich als "Christen in der AfD". Ihre Grundsatzerklärung weist Schnittmengen auch mit katholischem Gedankengut auf, etwa das Festhalten an der Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau, das Eintreten für Lebensschutz und gegen assistierten Suizid oder die Forderung nach konfessionellem Religionsunterricht.

Bild: ©picture alliance / dpa / Martin Schutt (Archivbild)

AfD-Politiker Björn Höcke.

Doch nicht zuletzt diese Nähe bei ethischen Fragen war für die Deutsche Bischofskonferenz 2019 Anlass für eine inhaltliche Klarstellung – ohne die Partei beim Namen zu nennen: "Dem Populismus widerstehen – Arbeitshilfe zum kirchlichen Umgang mit rechtspopulistischen Tendenzen". Darin stellen die Bischöfe klar: "Jeglichem Versuch, das Christentum als Mittel der Ausgrenzung von Menschen anderer Herkunft zu missbrauchen oder es gar völkisch umzudeuten, muss sich die Kirche weiterhin widersetzen."

Das Institut für Christliche Sozialwissenschaften in Münster bescheinigte der Partei ein "oberflächlich liberales Bild", das durch "die nationalistische und völkische Grundierung" konterkariert werde. So ordne sie auch das Familienbild oder den Lebensschutz einer "nationalistischen Bevölkerungspolitik" unter.

Den grundlegenden Dissens brachte der Vertreter der Bischöfe in Berlin, Prälat Karl Jüsten, mehrfach auf den Punkt: "Wir können uns niemals auf eine Auffassung vom Menschen einlassen, die die Gleichheit etwa der Zugehörigkeit zu Religion, Rasse oder Nation unterordnet – damit kommt alles ins Rutschen."

Teilnahme an Katholiken- oder Kirchentagen als Streitpunkt

Ein regelmäßiger Streitpunkt war die Teilnahme von AfD-Vertreterinnen und -Vertretern an Katholiken- oder Kirchentagen. Doch Beteuerungen wie jener des ehemaligen kirchenpolitischen Sprechers der AfD-Bundestagsfraktion, Volker Münz, man verfolge "eine konsequente Abgrenzung nach Rechtsaußen", folgten keine Taten, ganz im Gegenteil.

Die AfD macht ihrerseits aus Vorbehalten gegenüber den Kirchen keinen Hehl. So tritt sie für eine ersatzlose Streichung der Staatsleistungen an die Kirchen ein, auch wenn dies nach Auffassung von Rechtsexperten verfassungswidrig wäre. Der zweideutige politische Umgang mit Religion zeigte sich jüngst auch in der Bundestagsdebatte zu einem AfD-Antrag für einen Gedenktag zur Christenverfolgung: Redner aller Parteien teilten die Sorge um das Schicksal der Christen, kritisierten aber umso heftiger eine populistische Instrumentalisierung des Themas zur Hetze gegen den Islam.

Die Publizistin Liane Bednarz beobachtet seit Jahren das Verhältnis zwischen Kirche und radikaler Rechte. Für sie ist eine klare Benennung der Unterschiede wesentlich. Nötig sei vor allem eine "Abgrenzung zwischen gut-katholischem konservativen Gedankengut und jener kleinen, aber nicht unbedeutenden Teilmenge konservativer Katholiken, die die Grenze zum Rechtspopulismus überschreiten und rechtspopulistische Positionen übernehmen", sagte sie unlängst der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Von Christoph Scholz (KNA)