Analyse zu Synode: Bild von "Ost-West-Konfrontation" zu vereinfachend
Sowohl auf der sogenannten konservativen als auch auf der sogenannten progressiven Seite der katholischen Kirche besteht eine gewisse Neigung, das europäische Treffen des weltweiten Synodalen Vorgangs in Prag als Zusammenstoß von Ost und West zu klassifizieren. Eine Analyse der im Plenum vorgetragenen Positionspapiere der Tschechischen und der Slowakischen Republik etwa zeigt auf, dass diese Sicht eine unzulässige Vereinfachung darstellt.
Übereinstimmungen auch mit Trends in Westeuropa
Tschechien als ein Mutterland der Reformation und heute weitgehend atheistisch geprägtes Land wird oft der Slowakei als einer Hochburg eines ungebrochenen Volkskatholizismus gegenübergestellt. Die von den Bischofskonferenzen approbierten Berichte über den Verlauf des Synodalen Vorgangs auf nationaler Ebene lassen jedoch viele Übereinstimmungen erkennen, sowohl untereinander als auch mit den Trends in Westeuropa.
Die Frage der Mitbestimmung des Gottesvolkes und damit der Strukturen der Kirche bewegt alle, die sich auf den synodalen Vorgang eingelassen haben. Die "Methode der geistlichen Konversation" sei positiv angenommen worden, so das tschechische Papier; doch habe man auch "Gruppen verzeichnet, die sich nicht angeschlossen oder sich ihm widersetzt haben". Diese Haltung sei auch von den Erfahrungen mit der tschechischen "Plenarversammlung" (dem Landeskonzil 1997-2005) beeinflusst gewesen; dessen Ergebnis sei "als versäumte Chance betrachtet" worden.
Das tschechische Positionspapier geht so weit, dass es eine nicht synodale Gestalt der Kirche sogar als "reale Gefahr" darstellt. Die Theologie des allgemeinen Priestertums verlange, "das hierarchische Kirchenverständnis von ungesunden klerikalen Macht- und Autoritätsvorstellungen zu befreien". Es sei "nötig, die Berechtigung aller kirchlichen Strukturen und Prozesse zu überdenken und ihre Sendung als Dienst an allen zu betonen, keinesfalls zum Herrschen".
Auch das slowakische Papier vermerkt, die synodale Erfahrung habe zu einer "Stärkung des Gefühls von Zusammengehörigkeit in der Kirche geführt sowie zur Bewusstwerdung auf praktischer Ebene, dass die Kirche nicht nur Priester und Bischöfe sind". Es brauche Strukturen, "die für die Sendung der Kirche hilfreich sind und sie nicht bremsen". Eine "starke Verwurzelung in Traditionalismus, Klerikalismus, Individualismus und Aktivismus" behindere die Bildung einer "synodalen Gemeinschaft". Konkret gefordert wird eine "Schaffung synodaler Organe, beispielsweise von Pastoralräten" (Pfarrgemeinderäten).
Angesprochen wird in beiden Positionspapieren auch das Thema Geschlechtergerechtigkeit. Die Rolle der Frau in der Kirche sei "vielschichtig", noch nicht alle Aspekte angesprochen und reflektiert, so die Tschechen. Es wäre "unglücklich, sie allzu rasch auf eine – wenngleich wichtige – Dimension wie die Teilnahme an Entscheidungsprozessen zu reduzieren und auf rasche Lösungen zu drängen"; diese drohten dann danach, an der Oberfläche zu bleiben. Diskutieren könne man nicht nur über die Weihe verheirateter Männer, sondern auch über "neue Formen der Leitung pfarrlicher Gemeinschaften durch sakramentale und nichtsakramentale Dienste; inklusive der Einbeziehung von Frauen".
Das slowakische Positionspapier, das im Prager Plenum von zwei Frauen vorgestellt wurde, nennt als eine der zur Lösung anstehenden Fragen eine "Stärkung und Würdigung der Frauen im Leben der Kirche (eine größere Partizipation im Rahmen der kirchlichen Strukturen und Entscheidungssphären)". Als eine der vielen Spannungen in der Kirche erwähnt das Papier auch jene "zwischen der Tatsache, dass die Frauen die Mehrheit jener stellen, die an der Liturgie und den kirchlichen Aktivitäten teilnehmen, während die Mehrheit der Entscheidungs- und Leitungsfunktionen in den Händen von Männern verbleibt".
Papier: LGBTQ+-Community braucht Platz in der Kirche
In beiden Ländern wird auch das Verhältnis zu den Menschen am Rand von Kirche und Gesellschaft angesprochen. Das tschechische Dokument endet mit der Anmerkung, eine synodale Kirche müsse auch "den Status von Geschiedenen und Wiederverheirateten sowie von Mitgliedern der LGBTQ+-Community verantwortlich regeln". Es genüge nicht, "nur ihre Annahme zu proklamieren"; es sei auch nötig, "gemeinsam mit ihnen ihren Platz in der Kirche zu entdecken". Das slowakische Dokument spricht von einer "Spannung zwischen der Darlegung der gesunden Lehre der Kirche und der Annahme und Seelsorge von Personengruppen, deren Handlungen nicht gutzuheißen sind (...) bzw. Personen, denen die Sakramente versagt sind".
Gemeinsam ist den synodal Bewegten in Tschechien und der Slowakei die Sorge um die Jugend, "die nicht selten an ihrem Platz in der Kirche zweifelt"; um die Familien, in denen sich "der Glaube verflüchtigt"; um die Gesellschaft, von der sich die Kirche in Sprache und Verhalten abgekapselt habe. Angesagt ist das Aggiornamento nicht nur von Papst Johannes XXIII. (1958-1963) – das hinter dem Eisernen Vorhang nicht Fuß fassen konnte –, sondern auch von Papst Franziskus, dessen Besuch in der Slowakei im September 2021 ein passender Einstieg in den synodalen Impuls war.
Wolfgang Bahr ist Mitarbeiter der österreichischen KNA-Partneragentur Kathpress in Wien.