Veröffentlichung wegen Fragen der Rechtssicherheit mehrfach verschoben

Betroffene: Freiburger Missbrauchsstudie soll Schuldige benennen

Veröffentlicht am 16.03.2023 um 14:20 Uhr – Lesedauer: 

Freiburg ‐ Mehrfach wurde die Veröffentlichung der Freiburger Missbrauchsstudie aus rechtlichen Gründen verschoben. Doch jetzt rückt der Termin näher. Die Vorsitzende des Betroffenenbeirats, Sabine Vollmer, hat klare Vorstellungen, was passieren muss.

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Betroffene von Missbrauch und sexualisierter Gewalt durch Priester und Kirchenmitarbeiter erwarten von der Freiburger Missbrauchsstudie Klartext und eine eindeutige Benennung von Schuldigen. "Die Aufarbeitung hat zu spät begonnen und lief viel zu schleppend", sagte die Vorsitzende des Betroffenenbeirats im Erzbistum, Sabine Vollmer, am Donnerstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Studie müsse jetzt eine neue Phase der Aufarbeitung mit schnelleren Ergebnissen einleiten. Vorgestellt werden soll die Untersuchung Mitte April.

Für viele Betroffene sei es sehr belastend, dass voraussichtlich kaum jemand zur Verantwortung gezogen werde, so Vollmer: "Die meisten Täter, Mittäter und Vertuscher sind bereits verstorben." Aus Sicht Vollmers wären die Studien, die in vielen Bistümern veröffentlicht wurden oder werden, schlicht überflüssig gewesen, wenn sich die Schuldigen spätestens ab 2010 mit dem Beginn der Aufarbeitung zu ihrer Verantwortung bekannt hätten. "Wenn in den vergangenen zehn Jahren alle Täter und Mitverantwortlichen kooperiert hätten, bräuchten wir keine Studien auf Basis der oft unvollständigen Kirchenakten", sagte Vollmer.

Bekannte Zahl von rund 600 Betroffenen nur "Spitze des Eisbergs"

Sie forderte, die Freiburger Studie müsse jene Strukturen benennen, die Missbrauch erst ermöglichten. "Warum und wie oft wurden Täter versetzt? Warum sind Missbrauchsmeldungen verschwunden? Wer hat wen gedeckt? Warum sind Akten unvollständig? Auf diese drängenden Fragen verlangen die Betroffenen Antworten", sagte Vollmer.

Wenn die Studie Verantwortlichkeiten benenne, so die Betroffenenvertreterin, könnte die Veröffentlichung eventuell dazu beitragen, dass weitere Betroffene in die Lage kämen, ihre persönliche Aufarbeitung zu beginnen. "Denn noch immer verdrängen viele und leiden unter Schuld- und Schamgefühlen. Die bisher bekannte Zahl von rund 600 Betroffenen im Bistum Freiburg ist nur die Spitze des Eisbergs", sagte Vollmer.

Die unabhängige Kommission zur Aufarbeitung von Missbrauch will ihre Hunderte Seiten umfassende Studie am 18. April vorlegen. Zuvor war die Veröffentlichung mehrfach verschoben worden. Ursprünglich sollte sie bereits in der ersten Jahreshälfte 2022 erscheinen. Grund für die Verschiebung seien "notwendige, weitere rechtliche Klärungen und Absicherungen in den Bereichen Datenschutz, Persönlichkeits- und Presserecht" gewesen, um eine möglichst umfassende Rechtssicherheit der Veröffentlichung sicherzustellen, hieß es im vergangenen September. In der Studie sollen exemplarisch Missbrauchskomplexe geschildert und analysiert werden - allerdings in anonymisierter Form. Ein Schwerpunkt liegt zudem auf der "Täteranalyse". Erzbischof Stephan Burger hat angekündigt, die Ergebnisse für schnelle Konsequenzen für Prävention und weitere Aufarbeitung zu nutzen. (bod/KNA)