160 Kilometer Wanderweg von der Donauebene bis ins Böhmische Becken

Pilgern auf den Spuren des heiligen Gunther von Bayern nach Tschechien

Veröffentlicht am 15.04.2023 um 12:00 Uhr – Von Andreas Drouve (KNA) – Lesedauer: 

Bonn ‐ Wer eine kaum bekannte Pilgerstrecke sucht, könnte Gefallen finden am Gunthersteig – und dabei noch etwas über den bayerischen "Rodungsmönch" lernen. Vom bayerischen Niederalteich führt sein Gedächtnisweg über 160 Kilometer in neun Etappen ins tschechische Blatna.

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Erschöpft legen sie ihre Rucksäcke ab, lassen sich auf einer Holzbank nieder und die Stimmung in der Kirche Johannes des Täufers in Rinchnach auf sich wirken. Die Blicke von Petra Kroll (56) und Martin Schreiber (74) schweifen über pompöse Barockzier und Deckendekors aus Fresken. Die beiden sind auf dem Gunthersteig unterwegs. Gerade sind sie in Rinchnach angelangt, am Ende der zweiten Etappe. 

Bis vor wenigen Monaten hatten sie nie etwas vom Gunthersteig gehört, räumen sie unisono ein. "Dann entdeckte ich in irgendeinem Bergmagazin einen Hinweis", so Schreiber, "denn wir suchen immer Wege, die wenig begangen sind." Da landete er beim Gunthersteig einen Volltreffer. 

Der Pilger- und Wanderweg zieht sich über 160 Kilometer von der Donauebene in Niederalteich bis ins Böhmische Becken nach Blatna, also von Bayern hinein nach Tschechien. Er folgt den Spuren des heiligen Gunther (um 955/985 bis 1045), der als Einsiedler, Glaubensbote, Diplomat und sogenannter Rodungsmönch Geschichte schrieb. Er war ein Pionier des Wegebaus im Bayern- und Böhmerwald, ebnete die weitere Besiedlung und die Anlage von Handelsrouten. 

Heiliger Gunther? Offiziell ist das nicht

Offiziell kanonisiert worden ist Gunther nie. Er gilt als Volksheiliger. "Bereits zu Lebzeiten wird Gunther wegen seines enthaltsamen Lebenswandels und segensreichen Wirkens verehrt. Viele suchen seinen Rat und seine Fürsprache bei Gott auch über seinen Tod hinaus", heißt es im "Pilger- und Etappenführer Gunthersteig". 

Das 36-seitige Booklet ist vom Landkreis Regen herausgegeben worden und ideal zur Vorbereitung und Begleitung. Die Gesamtstrecke ist in neun Etappen zwischen 14 und 21 Kilometern unterteilt, kann also auch in einem Urlaub zurückgelegt werden. Der Schwierigkeitsgrad lautet fast durchgängig "mittel", bezogen auf Steigungen und Kondition; alpine Strecken oder Wege, die Schwindelfreiheit erfordern, gibt es nicht. 

Einzig die Königsetappe von Zwiesel ins tschechische Prasily ist als "schwer" klassifiziert. Dafür bietet sie eine Abfolge an Highlights: den historischen Ortskern von Zwiesel, das Bauernhausmuseum von Lindberg, dazu wunderbare einsame Passagen im Bayer- und Böhmerwald sowie um den grünen Grenzübergang.

An Etappenzielen wie Prasily finden sich Gasthäuser, die man nach Möglichkeit im Voraus buchen sollte. Pilgerherbergen wie am berühmten Jakobsweg gibt es nicht – dafür ist der Gunthersteig mit seinen wenig bekannten Pfaden noch ein Geheimtipp. Für Interessierte koordiniert Christina Fuchs von der Touristeninformation in Lalling ein Gesamtpaket: Unterkünfte mit Gepäcktransport auf den ersten fünf Etappen von Niederalteich bis hinter die Grenze nach Hartmanice. Diese fünf Tage sind zugleich die interessantesten und empfehlenswertesten Teile auf dem Gunthersteig. 

Die Saison dort geht von Mai bis Oktober. Der Weg ist gut beschildert, das begleitende Logo als Zeichen des "Rodungsmönchs" Gunther eine Hacke; in Tschechien kommt alternativ oder ergänzend ein stilisiertes "V" vor – als Abkürzung für "Vintir". So lautet der tschechische Name von Gunther. Kleine Holzanhänger mit den Symbolen sollen künftig als Andenken in den Touristeninformationen erhältlich sein. 

Auf der deutschen Seite des Gunthersteigs stehen an diversen Punkten Impulstafeln, die von Petra Kroll und Martin Schreiber dankbar angenommen worden sind – obgleich sich das freundschaftlich verbundene Paar nicht aus spirituellen Gründen auf den Weg gemacht hat. 

"Wir sind säkulare Weitwanderer, aber wenn es eine schöne Kirche gibt, gehen wir hinein", erklärt der pensionierte Softwareentwickler Schreiber. Kroll, Senior Managerin in Medizintechnik, stellt klar: "Ich sage nur, ich gehe wandern, nicht pilgern. Da kommt man auch runter, wenn man verlangsamt." Sie mutmaßt: "Die meisten Menschen wollen unterwegs nur zu sich selbst finden." Bislang sind laut einer Schätzung von Johann Wenzl, Mitarbeiter beim Landratsamt Regen, nur wenige Pilger oder Wanderer auf dem Gunthersteig unterwegs: einige hundert pro Jahr.

Von Andreas Drouve (KNA)