Neue Vorschriften für die Nutzung sozialer Netzwerke durch Kirchenleute

Social-Media-Regeln in Polens Kirche: Zensur oder Professionalisierung?

Veröffentlicht am 22.04.2023 um 00:01 Uhr – Von Oliver Hinz (KNA) – Lesedauer: 

Warschau ‐ In Polen sind seit Donnerstag neue Vorschriften für Auftritte von Priestern in sozialen Netzwerken in Kraft. Die Kirche des Landes bestreitet aber, dass sie damit öffentliche Kritik von Priestern an Entscheidungen der Bischöfe verhindern will.

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Bei manchen Geistlichen in Polen kommen die neuen Vorschriften der katholischen Kirche für eine lehrkonforme Nutzung von Social Media nicht gut an. Der Krakauer Jesuit und Buchautor Dariusz Piorkowski teilte diese Woche auf Facebook mit: "Aufgrund der ziemlich strengen Regeln für die Präsenz von Priestern und Jesuiten in verschiedenen Medien, die von der Bischofskonferenz und separat von unseren Ordensoberen festgelegt wurden, habe ich beschlossen, meine Tätigkeit auf FB ab dem 20. April einzustellen, weil diese Regeln dann in Kraft treten. Vielleicht kommen irgendwann bessere Zeiten."

Der Ordensmann betonte allerdings, weder die Bischöfe noch seine Vorgesetzten hätten ihm verboten, dort zu schreiben. Ein anderer polnischer Jesuit, Krzysztof Madel, hält das Dekret über das Auftreten von Geistlichen und einigen Laien in den Medien für "völlig sinnlos". Der in Dublin arbeitende Madel sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): "Polen ist wohl das einzige Land der Welt, in dem solche Dekrete veröffentlicht werden."

Social-Media-Äußerungen nur getreu der katholischen Lehre

In dem vier Seiten langen Dekret verfügt die Bischofskonferenz etwa, dass sich Kirchenleute in Medien nur getreu der katholischen Lehre äußern dürfen und die Entscheidungen des Episkopats "respektieren" müssen. Verlangt werden "angemessene Kompetenz, Umsicht und Verantwortung für das gesagte Wort, Fürsorge und Liebe für die Wahrheit, Achtung gegenüber anderen und die ehrliche Suche nach dem Gemeinwohl". Man solle das Evangelium verkünden, nicht aber seine eigene Meinung. Untersagt wird explizit, Verwirrung, Spaltungen und "negativen Emotionen" zu verursachen. Die insgesamt 18 Punkte gelten auch für Laien, die ein Amt in der Kirche bekleiden oder etwa katholische Stiftungen repräsentieren.

Bild: ©Lisa F. Young/Fotolia.com

Polens Priester dürfen sich in den sozialen Medien nur noch getreu der katholischen Lehre äußern und müssen die Entscheidungen des Episkopats "respektieren".

Das Dokument unterscheide sich nicht so sehr von Vorschriften anderer Institutionen, auch weltlicher, meint Priester Rafael Kowalski. Er ist Pressesprecher des Erzbistums Wroclaw (Breslau) und gehörte dem Gremium an, das die neuen Regeln erarbeitete. Sie ersetzen Vorschriften von 2004, die offiziell nur Radio und Fernsehen betrafen, nicht aber die immer wichtiger werdenden Social-Media-Kanäle wie Instagram, TikTok und Twitter. Eineinhalb Jahre dauerten die Beratungen, bevor Polens Bischöfe das Dekret im Oktober beschlossen. Auch dem Vatikan wurden die Bestimmungen zuvor zur Prüfung vorgelegt.

"Wenn ich Priester bin, werde ich nie wieder eine Privatperson sein", so Kowalski. "Wenn man Priester ist, dann verbinden die Leute einen ganz klar mit der Kirche." Das müssten Geistliche berücksichtigen. Er weist zurück, dass mit Hilfe des neuen Dekrets andersdenkende Kirchenvertreter mundtot gemacht werden sollten. Es gehe vielmehr um eine Professionalisierung der katholischen Kirche im Medienraum.

"Das widerspricht der Sendung der Kirche"

Auch künftig wird es demnach in Polen in den Sozialen Netzwerken keineswegs an katholischen Geistlichen mangeln. Sie erreichen dort mitunter enorm viele Menschen. Millionenfach auf TikTok angeschaut wurde etwa eine Tanz-Performance, die der junge Priester und Religionslehrer Adrian Chojnicki in einer Schule im schlesischen Rybnik einstudierte. Er postete die kurzen Videos dort auf seinem Account namens "padre.adriano". "Als Priester möchte ich zeigen, dass die Kirche nicht starr ist, sondern positive Energie ausstrahlt und attraktiv ist", sagte Chojnicki in einem Interview. Kirche solle dort sein, wo die Jugend sei.

Er hält sich bei seinen Social-Media-Aktivitäten auch an die neue Vorschrift, dass alle Geistlichen auf ihren Accounts als Vertreter der Kirche erkennbar sein müssen, also auf ihren Profilbildern etwa den Priesterkragen tragen oder ihre Funktion angeben müssen. Der Jesuit Madel kritisiert dagegen, dass das Regelwerk "absolut nichts zum Verbrechen des Totschweigens" sage. Damit meint er die Weigerung der Kirche, zu manchen Themen klar Stellung zu nehmen. "Das widerspricht der Sendung der Kirche, die verkünden und bezeugen soll, wie Jesus es getan hat."

Von Oliver Hinz (KNA)