Das Tier wird oft unterschätzt

"Ratten der Lüfte" und Heiliger Geist: Ein Plädoyer für die Taube

Veröffentlicht am 29.05.2023 um 12:15 Uhr – Von Beate Laurenti und Annika Schmitz (KNA) – Lesedauer: 

Bonn ‐ Den einen gelten sie als "Ratten der Lüfte", die anderen kümmern sich liebevoll um die Tiere – an der Taube spalten sich die Gemüter. Aber warum ist das so? Und was hat das alles mit dem Heiligen Geist zu tun? Eine Spurensuche.

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Sie kann Gesichter voneinander unterscheiden, ist ihrem Partner ein Leben lang treu und hat ein farbenprächtiges Gefieder: die Taube. Trotzdem hat sie kaum Fürsprecher – und ihr eingängiges "Ku-ru-ku-ku-ku" treibt viele in den Wahnsinn. Dabei steht sie doch eigentlich für den Frieden.

Der Tierschutzbund Deutschland vermutet, dass die Felstaube bereits in der Jungsteinzeit, den ersten Landwirten folgend ihren Lebensraum ausgedehnt hat. Erste Hinweise auf ihre Domestizierung lassen sich um 5000 v. Chr. in Ägypten und Mesopotamien finden. Auch in der Bibel kommt die Taube immer wieder vor.

Berühmt ist vor allem die Erzählung von der Sintflut: Eine Taube bringt einen Ölzweig auf die Arche Noah, kündet damit vom Ende der verheerenden Flut und gilt seitdem als Zeichen des Friedens. Mehr als Symbolcharakter kommt Tauben hierzulande allerdings kaum mehr zu.

Schlechtes Image

"Viele lieben das Rotkehlchen, aber verachten die Taube", sagt Lea Schmitz vom Tierschutzbund. Ihrer Meinung nach sind es vor allem die Massen an Tieren, die den Vögeln ihr schlechtes Image bereiten – aber auch die Verhältnisse, in denen sie leben müssen.

In Deutschland gibt es Schätzungen des Naturbunds zufolge rund 500 Millionen Stadttauben, darunter auch Wildarten wie Ringel-, Türken-, Hohl- und Turteltauben. Aus den ehemals in Gefangenschaft lebenden Brieftauben haben sich mittlerweile in den Städten verschiedenste Populationen entwickelt.

Der Heilige Geist als Taube
Bild: ©KNA/Stefano Dal Pozzolo

Als Symbol fü den Heiligen Geist hat die Taube im Petersdom in Rom einen Ehrenplatz.

Heute konzentrieren sich die Schwärme auf Plätze wie Bahnhöfe, die folglich verdreckt sind. "Das ruft Ekel hervor", sagt Schmitz. Gleichzeitig seien die grünlichen Flatschen am Boden – der sogenannte Hungerkot – ein Zeichen von Mangelernährung. Würden sich die Tiere gesünder ernähren, könnte man den Kot einfach wegkehren.

Lange ein Zeichen der Reinheit

Dabei galten die Tauben, heute im Volksmund auch als "Ratten der Lüfte" bezeichnet, lange Zeit als Zeichen der Reinheit. Im biblischen Buch Levitikus heißt es etwa: Wer gesündigt hat und Gott ein Opfer bringen will, allerdings nicht genügend Mittel für ein Schaf oder eine Ziege hat, der kann auch auf zwei Tauben zurückgreifen. Und auch im Lukasevangelium wird an die Tauben als Reinigungsopfer erinnert.

Doch damit nicht genug. Im Christentum ist die Taube gar Zeichen für den Heiligen Geist. Er sei bei der Taufe Jesu im Jordan wie eine Taube auf ihn herabgekommen, so das Markusevangelium. Stellt die christliche Ikonographie die göttliche Dreifaltigkeit dar, also Vater, Sohn und Heiliger Geist, kommt letzterer in Gestalt der Taube daher.

Ein Kirchenfenster zeigt die Dreifaltigkeit Gottes
Bild: ©adobestock/jorisvo

Ein Kirchenfenster zeigt die Dreifaltigkeit Gottes in Form von Vater, Sohn und Heiligen Geist als Taube.

Außerdem ist die Taube ein Zeichen für die Liebe – in der Bibel Kosename für die Geliebte – und noch heute steigen mancherorts weiße Turteltauben bei Hochzeiten gen Himmel. Von dieser Symbolhaftigkeit ist im Alltag jedoch wenig übriggeblieben: Der Mensch wehrt sich mit Metall-Spikes, Lasern oder gar Gift gegen die Vögel. Mit ihnen zu leben hingegen, fällt ihm schwer. "Wir brauchen einen respektvollen Umgang miteinander", fordert daher Tierschützerin Schmitz.

Wie das gehen kann? Stadttauben fallen unter das Tierschutzgesetz, Ringeltauben sogar unter die EU-Vogelschutzrichtlinie. Gleichzeitig ist die Fütterung der Tiere in Städten meist strafbar. Für Schmitz nachvollziehbar, dennoch müssten solche Vorschrift ihrer Meinung nach etwa an finanzielle Hilfen der Kommunen für Taubenschutzprojekte gekoppelt sein.

Attrappen-Eier

Dort bekämen die Tiere Brutmöglichkeiten, Nahrung und Wasser. Das Besondere: Sobald die Vögel Eier legen, werden diese gegen Attrappen ausgetauscht. Die Vögel brüteten unbeirrt weiter, aber vermehrten sich nicht. "Wenn das flächendeckend gemacht wird, kann das dazu führen, dass weniger Taubenküken auf die Welt kommen." Das sei die einzige nachhaltige und tierschutzgerechte Methode, um den Bestand zu regulieren.

"Dass Tauben sich nicht vermehren, wenn sie nicht gefüttert werden, ist ein Trugschluss", betont Schmitz. Sie seien aufgrund ihrer Historie als Fleischtauben in den 1950er Jahren darauf ausgelegt, ständig zu brüten – auch in einem unterernährten Zustand. Das führe dazu, dass Nestlinge oft qualvoll verhungerten. Die Population werde so jedoch nicht verringert.

Die Taube wird so schnell also nicht aus dem Stadtbild verschwinden. Und auch ihr Symbolcharakter für Frieden und Liebe wird wohl überdauern. Das ist keine schlechte Nachricht; schließlich sind es Werte, die der Mensch und die Welt brauchen.

Von Beate Laurenti und Annika Schmitz (KNA)