Heße zu EU-Einigung im Asylstreit: Rückschritte im Flüchtlingsschutz
Nach der Einigung der EU-Innenminister auf ein verschärftes Asylrecht gibt es viel Kritik – auch von Kirchen und kirchlichen Verbänden. Der katholische Flüchtlingsbischof Stefan Heße begrüßte das Ringen der EU-Innenminister um mehr Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten bei der Aufnahme von Geflüchteten. Die nun erzielte Einigung "dürfte allerdings zu Rückschritten im Flüchtlingsschutz führen", so der Hamburger Erzbischof in einer Stellungnahme der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) vom Freitag. Schutzsuchende Menschen – darunter auch Familien mit Kindern – in haftähnlichen Zentren unterzubringen, dürfe nicht der Weg Europas sein, so der Hamburger Erzbischof.
Mit Blick auf die Erfahrungen in den Hotspots in Griechenland und Italien seien große Lager zu befürchten, in denen rechtsstaatliche Prinzipien unterwandert würden und unzumutbare Lebensbedingungen herrschten. Der Schutz von Kindern und anderen schutzbedürftigen Personen könne hier de facto nicht gewährleistet werden. "Nicht Hartherzigkeit und Egoismus, sondern Humanität und Hilfsbereitschaft sollten die Markenzeichen Europas sein", so Heße.
Caritas: Keine Ausnahmen für Familien mit Kindern "skandalös"
Auch der evangelische Flüchtlingsbischof Christian Stäblein kritisierte den Asylkompromiss. Auf Twitter schrieb er: "Man lässt keine Kinder und Familien vor den Toren stehen – punkt." Das EU-Parlament müsse nun "im Namen der Menschenwürde" den Mut zu einer menschlicheren Flüchtlingspolitik zeigen und den Schutz von Hilfebedürftigen stärken. Der Deutsche Caritasverband twitterte, es sei "skandalös", dass Deutschland Ausnahmen für Familien mit Kindern nicht durchsetzen konnte. Es sei extrem bitter, wie nun Menschenrechte ausgehöhlt würden.
Auch der Jesuiten-Flüchtlingsdienst sprach von einem schweren Rückschlag für den Schutz der Menschenrechte in Europa. Man habe sich auf Abwehr und Abschreckung geeinigt und dabei die eigentlichen Probleme ungelöst gelassen, erklärte der stellvertretende Direktor für Deutschland, Stefan Keßler. Der gefundene politische Kompromiss gehe zu Lasten der Schwächsten, nämlich der Schutzsuchenden, unter ihnen Frauen und Kinder. Damit würden auch die europäischen Grundwerte wie Menschenwürde und Solidarität aufs Spiel gesetzt.
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Katholisches Büro, Flüchtlingsdienst und Caritas hatten im Vorfeld des Gipfels in einem Papier Vorschläge für eine gemeinsame EU-Asylpolitik gemacht. Darin wird für ein System plädiert, das sowohl den Bedürfnissen der Flüchtlinge als auch denen der EU-Mitgliedstaaten gerecht wird.
Danach soll das Asylverfahren künftig von einer Europäischen Asylagentur verantwortet und durchgeführt werden. Die europäische Agentur solle dann Außenstellen in den einzelnen Mitgliedstaaten betreiben. Grundlagen für die Entscheidungen über die Anträge und für die Ausgestaltung des Verfahrens müssten unmittelbar in den Mitgliedstaaten anwendbare EU-Verordnungen sein, heißt es.
Jahrelanger Streit der EU-Innenminister
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl betonte, die "massiv verwässerten" Kriterien für angeblich sichere Drittstaaten öffneten Tür und Tor, um sich der Schutzsuchenden auf "scheinlegale Weise" zu entledigen. Die evangelischen Hilfswerke Diakonie und Brot für die Welt warnten, die EU dürfe ihre Schutzverantwortung nicht an Drittstaaten delegieren.
Die EU-Innenminister hatten sich am Donnerstagabend in Luxemburg nach jahrelangem Streit auf eine gemeinsame Position zur Verschärfung des europäischen Asylrechts geeinigt. Im Mittelpunkt steht dabei die Einführung von Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen, um illegale Migration einzudämmen. Das EU-Parlament muss über die Einigung noch beraten und abstimmen. (cbr/KNA)