Die Gesundheit des Papstes soll kein Staatsgeheimnis mehr sein
In seinen Ansprachen an Medienschaffende betont Papst Franziskus immer wieder seine Dankbarkeit für die Arbeit der Journalisten. Zugleich mahnt er sie, wahrhaftig und am Gemeinwohl orientiert zu berichten und nicht Gerüchte oder üble Nachrede zu verbreiten. Im scharfen Kontrast dazu stand Ende März die vatikanische Informationspolitik, wenn es um die Gesundheit des Papstes ging – und insbesondere um die Umstände seiner Klinik-Einlieferung am Mittwoch vor dem Palmsonntag.
Dürftige und zunächst irreführende Mitteilungen aus dem vatikanischen Presseamt und das Fehlen von Mitteilungen aus der römischen Gemelli-Klinik sorgten dafür, dass wilde Gerüchte ins Kraut schießen konnten. Während das Presseamt unter seinem Direktor Matteo Bruni zunächst von einer geplanten Untersuchung sprach, berichteten italienische Medien über eine akute, lebensbedrohliche Krise.
Jahre des öffentlich zelebrierten Krankseins
Von hohem Fieber bis hin zu zeitweiser Bewusstlosigkeit reichten die Berichte in Blogs und auf Twitter. Und sie alle bezogen sich auf anonyme Quellen; mutmaßlich medizinisches Personal in der Gemelli-Klinik. Später wurde aus der geplanten Untersuchung in den Vatikan-Mitteilungen eine Bronchitis; und noch später, bei einer seiner Fliegenden Pressekonferenzen während einer Papstreise, sprach Franziskus von einer fiebrigen Lungenentzündung.
Möglicherweise gab es eine Strategie dahinter mit dem Ziel, die Erkrankung des Papstes zunächst herunterzuspielen, um ihn nicht öffentlich zu schwächen. Viele im Vatikan erinnern sich noch an die langen Jahre des öffentlich zelebrierten Krankseins und Sterbens von Johannes Paul II. (1978-2005), die damals zu einer Art Aushöhlung des Papstamtes führten. Denn der Apparat um ihn herum, allen voran sein Privatsekretär Stanislaw Dziwisz, übernahmen seinerzeit faktisch die Zügel der Macht. Gerade in den letzten Jahren des Pontifikats wurde – nach anfänglichen Versuchen, seine Parkinson-Krankheit herunterzuspielen – vergleichsweise offen kommuniziert, wie schlecht es dem Papst ging.
Sollte das Verschweigen schlechter Gesundheitsnachrichten im März 2023 Absicht gewesen sein, ging das Kalkül jedenfalls nicht auf. Das Gegenteil trat ein. Vor diesem Hintergrund war es eine 180-Grad-Wende, als der vatikanische Presseapparat am frühen Mittwochabend, wenige Stunden nach dem chirurgischen Eingriff, zu einer Pressekonferenz mit dem operierenden Arzt in die Gemelli-Klinik einlud. Professor Sergio Alfieri berichtete, welche Eingriffe er vorgenommen hatte und warum.
Und er ging sogar proaktiv auf die seit Monaten wabernden Gerüchte um eine angebliche Krebserkrankung des Papstes ein. Denn in interessierten – also franziskuskritischen – Kreisen wurde wiederholt kolportiert, der Papst werde heimlich regelmäßig in die Gemelli-Klinik gebracht, um dort bestrahlt zu werden. Alfieri kanzelte all dies als falsch ab und sprach von hundertprozentig gutartigen Befunden, und zwar sowohl bei der jetzigen OP als auch bei dem Eingriff im Juli 2021.
Kurioser Nebeneffekt der Transparenzoffensive
Loup Besmond de Senneville, französischer Vatikankorrespondent und Vorsitzender des Vereins der beim Vatikan akkreditierten Journalisten, schrieb anerkennend auf Twitter: "Der Vatikan hat seine Kommunikationsstrategie völlig verändert. (...) Seit gestern hat er sich dafür entschieden, regelmäßig und präzise zu informieren, beinahe in Echtzeit."
Die neue Transparenzoffensive hat aber auch kuriose Nebeneffekte. So korrigierte der Mediziner Alfieri den Papst höchstpersönlich; denn dieser hatte nach der Operation von 2021 vor Journalisten davon gesprochen, dass er die damalige Vollnarkose nicht gut vertragen habe und dass er die Folgen noch immer spüre. Alfieri hingegen bescheinigte seinem prominenten Patienten, dass er damals wie jetzt die Vollnarkose gut überstanden habe – auch wenn es dem Papst, wie vermutlich vielen Menschen, wohl nicht angenehm war, in die Bewusstlosigkeit einer Narkose geschickt zu werden.