Mittagsläuten ohne Heiligen Vater: Kein Papstauftritt am Sonntag
Sonntagmittag auf dem Petersplatz in Rom. Die Glocken der großen Basilika über dem Grab des Apostels läuten hell und lange. Auf dem Platz stehen und gehen einige hundert Menschen. Manche beten, andere schauen hinauf zu jenem Fenster, wo sonst an jedem Sonntagmittag ein ausgerollter Teppich mit dem Papstwappen anzeigt, dass von dieser Stelle der Papst spricht.
Das sonntägliche Mittagsgebet wird auf Latein gesprochen und erinnert an die Schwangerschaftsankündigung des Engels (lateinisch: Angelus) an die Jungfrau Maria – und damit an das größte Geheimnis des christlichen Glaubens. Das Angelusgebet ist eine fromme Routine, die von den Päpsten seit vielen Jahrzehnten gepflegt und genutzt wird: um Pilgergruppen auf dem Platz zu grüßen, um über das Sonntagsevangelium zu sprechen und oft auch, um politische oder humanitäre Appelle zu lancieren.
Doch diesmal bleibt das Fenster im Apostolischen Palast hoch über dem Petersplatz verschlossen. Auch über die Lautsprecher, die den weitläufigen Platz beschallen können, ist nichts zu vernehmen. Auf den Großbildschirmen, die sonst öffentliche Auftritte des Papstes übertragen, prangt das Symbol des Informationsportals Vatican News mit den gekreuzten Petrusschlüsseln. Keine Direktübertragung des Angelus-Gebets mit dem Papst wird angeboten.
Der Papst betet privat – ohne Kameras und Mikrofone
Die bedrückende Stille aus den Lautsprechern versucht eine Musikgruppe mit Blasinstrumenten zu übertönen, doch es kommt keine Stimmung auf. Sonst, wenn der Papst am Fenster erscheint, ist das anders. Da werden Musikeinlagen manchmal bejubelt, und die Worte und Gesten des Papstes sowieso.
Verhalten ist auch die Stimmung vor der Gemelli-Klinik. Nur eine kleine Gruppe von meist jüngeren Gläubigen hat sich dort versammelt, um zeitgleich mit dem nicht sichtbaren und nicht hörbaren Papst das Angelusgebet zu sprechen. Der hält sich zu dieser Zeit in der kleinen Kapelle der "Papst-Abteilung" im zehnten Stock des Krankenhauses auf und betet dort ganz privat, ohne Kameras und Mikrofone.
Die behandelnden Ärzte haben ihm dringend geraten, sich am vierten Tag nach seiner dreistündigen Bauch-OP zu schonen. Und zur Überraschung vieler hat er sich an den Rat gehalten. Auch langjährige Vatikanbeobachter können sich nicht erinnern, Vergleichbares erlebt zu haben. Selbst in den letzten Wochen des Lebens und Sterbens von Johannes Paul II. im März 2005 gab es sonntags einen öffentlichen Auftritt des Papstes.
Da dieser damals kaum noch sprechen konnte, verlas Leonardo Sandri, Substitut im Staatsekretariat und seit 2007 Kardinal, die Worte des polnischen Papstes stellvertretend. Ganz am Ende geschah dies dann wieder aus dem Apostolischen Palast – bis hin zu dem dramatischen Versuch Johannes Pauls II. am Ostersonntag, wenige Tage vor seinem Tod, ein letztes Mal Segensworte über die auf dem Platz versammelte Menschenmenge zu sprechen.
Papst gewillt, alles medizinisch Notwendige zu tun
22 Mal gab es in dem langen Wojtyla-Pontifikat ein päpstliches Mittagsgebet aus der Gemelli-Klinik. Selbst nach dem beinahe tödlichen Attentat vom 13. Mai 1981 war die Stimme des polnischen Papstes per Lautsprecher auf dem Petersplatz zu vernehmen; er sprach vom Krankenlager aus.
Franziskus übernahm nach seiner ersten Darm-OP in der Gemelli-Klinik die Tradition seines Vorvorgängers und leitete am 11. Juli 2021 das Angelusgebet vom zehnten Stock der Klinik aus. Dass sich der 86-jährige diesmal an die Ratschläge der behandelnden Ärzte gehalten und auf jegliche Form eines öffentlichen Auftritts verzichtet hat, unterstreicht, wie schwerwiegend der Eingriff war, dem er sich unterziehen musste.
Es zeigt aber auch, dass er gewillt ist, alles medizinisch Notwendige zu tun, um in bestmöglicher körperlicher Verfassung seine Mission fortzuführen. In den kommenden vier Monaten stehen drei Auslandreisen sowie die erste Weltbischofssynode mit Laienbeteiligung auf seinem Programm. All diese Termine sind, wie Vatikansprecher Matteo Bruni versichert, nach wie vor bestätigt.