Missbrauchsbeauftragter äußerte sich auch zur Lage im Erzbistum Köln

Bischof Dieser: Missbrauchsaufarbeitung der Kirche ist wirksam

Veröffentlicht am 12.06.2023 um 18:01 Uhr – Lesedauer: 

Aachen/Köln ‐ "Wir sind intensiv dran": Bischof Helmut Dieser sieht die Kirche bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals nicht mehr am Anfang. In einem Interview äußerte er sich auch über Freiburgs Alterzbischof Robert Zollitsch und die Lage im Erzbistum Köln.

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Bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals steht die katholische Kirche in Deutschland nach Ansicht von Bischof Helmut Dieser nicht mehr am Anfang. "Wir sind intensiv dran", sagte der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) der Kölnischen Rundschau (Dienstag). "Unsere Aufarbeitung orientiert sich nicht an der Institution, sondern an den Betroffenen. Und ich bekomme auch von Betroffenen die Rückmeldung, dass diese Arbeit wirksam ist", so der Aachener Bischof.

Dieser bekräftigte, dass auch der Staat seine Verantwortung bei der Aufarbeitung stärker wahrnehmen müsse. "Eine staatliche Instanz kann helfen, allgemeinverbindliche Regeln und Standards zu setzen, an die sich die aufarbeitenden Institutionen halten müssen und deren Einhaltung überprüft werden kann." Dieser berichtete von Hinweisen Betroffener, nach denen der mutmaßliche Missbrauchstäter Edmund Dillinger aus dem Bistum Trier und ein weiterer Priester aus dem Bistum Aachen zusammengewirkt haben könnten. Beide seien viel im Ausland gewesen. "Ich fürchte, dahinter steckt noch viel mehr an Kriminalität, als uns bisher klar geworden ist", sagte Dieser. Näheres müsse staatlich untersucht werden.

Dieser entsetzt über früheren DBK-Vorsitzenden Zollitsch

Als "entsetzlich" bewertete Dieser die Erkenntnisse über die Rolle des früheren Freiburger Erzbischofs und ehemaligen Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Robert Zollitsch. "Man kann nur rätseln, wie ein Mensch so verschiedene Gesichter haben kann: Öffentlich etwas einfordern, es im eigenen Verantwortungsbereich aber nicht tun." Der Umgang von Zollitsch und auch des früheren Papstes Benedikt XVI. (2005-2013) mit Missbrauchsgutachten sei enttäuschend. "Wer eine Diözese leitet oder gar als Papst an der Spitze steht, kann doch nur sagen: Ja, die Institution hat als Ganze versagt. Dafür bin ich verantwortlich, und ich hätte auch die Macht gehabt, einzuschreiten."

Dieser betonte, die ganze Gesellschaft müsse sich fragen, wie sie den Betroffenen mehr Gerechtigkeit widerfahren lassen könne. "Missbrauch ist ein Thema nicht nur der Kirche, sondern der ganzen Gesellschaft. Aber wir sind die einzige gesellschaftliche Institution, die das systematisch aufklärt. Wenn man uns deswegen kritisiert, ist das nicht ganz fair."

Besorgt über Situation im Erzbistum Köln

Besorgt zeigte sich der Bischof über die Situation im Erzbistum Köln: "Das Erzbistum Köln durchlebt eine schwere Zeit, und ich weiß nicht, was wir da noch tun sollen." Der Bischof antwortete auf die Frage, ob nach den heftigen Auseinandersetzungen um den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki ein Neuanfang geboten sei: "So etwas kann überall passieren, wo Menschen zusammenarbeiten. Bestimmte Zusammenstellungen sind einfach erschöpft." Nach Worten Diesers haben die katholischen Bischöfe aus Deutschland die Situation vor Papst Franziskus angesprochen. "Der Ball liegt beim Papst." Es sei zu hoffen, dass es für Köln bald eine gute Klärung gebe.

Das Erzbistum Köln befindet sich vor allem wegen seiner Missbrauchsaufarbeitung in einer Vertrauenskrise. Papst Franziskus verlangte im Februar vergangenen Jahres ein Rücktrittsgesuch von Kardinal Woelki, über das er aber bislang nicht entschieden hat. (stz/KNA)