Gottsucher – und bald selig? Der Religionsphilosoph Blaise Pascal
Für den Publizisten Peter Seewald ist er einer der "Superstars des Katholizismus", und in der Corona-Zeit gewannen manche seiner Gedanken neue Aktualität. So erklärte Benediktinermönch Anselm Grün, der christliche Philosoph und Literat Blaise Pascal habe schon im 17. Jahrhundert gewusst: "Das Problem des modernen Menschen ist, dass keiner mehr allein in seinem Zimmer bleiben kann". Am 19. Juni 1623, also am Montag vor 400 Jahren, wurde Pascal geboren.
Als Kind eher kränklich, verlor er mit drei Jahren seine Mutter. Wenige Jahre später siedelte die Familie nach Paris um. Sein Interesse an der Mathematik zeigte sich früh und in solcher Intensität, dass sein Vater fürchtete, er könne die Sprachen vernachlässigen. Bereits mit zwölf Jahren erschloss sich Pascal spielerisch die ersten 32 Sätze der Euklidischen Geometrie. Mit 16 Jahren hielt er seinen ersten Vortrag an der Academie de mathematique – über das geometrische Problem der Kegelschnitte. Wenig später wurde er auch Kardinal Richelieu vorgestellt.
Ein nicht zu stillender Wissendurst
Seine erste Erfindung machte er 1642: eine Rechenmaschine für seinen Vater, der zu diesem Zeitpunkt oberster Steuereinnehmer für die Normandie war. Die später so bezeichnete Pascaline setzte sich nicht durch, weil ihre Herstellung zu teuer war. Doch der Wissensdurst des jungen Mannes war nicht zu stillen; so befasste er sich mit physikalischen Phänomenen wie Luftdruck und Vakuum.
Diese Themen hatten damals auch spirituelle Relevanz: Schon die antiken Philosophen hatten den "horror vacui" beschrieben, eine vermeintlich natürliche Abneigung gegen die Leere. Das Thema sollte Pascal weiter umtreiben; in späteren Jahren diskutierte er darüber mit anderen Denkern wie Rene Descartes.
Zunächst nicht sonderlich religiös geprägt, begegnete die Familie der Glaubenslehre des niederländischen Reformbischofs Cornelius Jansen; die jüngere Schwester Jacqueline wollte daraufhin in einen Orden eintreten. Pascal selbst interpretierte seine häufigen Schmerzen in den Beinen als göttliches Zeichen und beschloss, fromm und asketisch zu leben. Der Ordenseintritt seiner Schwester erfolgte nach dem Tod des Vaters 1651.
Am Abend des 23. November 1654 machte der junge Mann selbst eine Art mystische Erweckungserfahrung – die für ihn von solcher Bedeutung war, dass er sie auf einem Pergamentstreifen festzuhalten versuchte. Dieses "Memorial" trug er, in seinem Mantel eingenäht, immer mit sich; es wurde erst nach seinem Tod gefunden. Ab diesem Zeitpunkt besuchte Pascal seine Schwester häufig im Kloster und zog sich aus der mondänen Pariser Gesellschaft zurück.
Neben mathematischen Studien verfasste er Briefe zu aktuellen theologischen Debatten und begann mit einem Großwerk zum Christentum: den "Pensees", zu deutsch "Gedanken". Sein früher Tod verhinderte die Fertigstellung jener Sammlung. Pascal starb mit 39 Jahren am 19. August 1662, wenige Monate nach dem Tod seiner jüngeren Schwester. Dessen ungeachtet handelt es sich bis heute um einen der meistgelesenen philosophisch-religiösen Texte.
Wird er seliggesprochen?
Berühmt ist der Abschnitt, der als Pascalsche Wette bekannt wurde: Demnach gewinnt derjenige alles, der auf die Existenz Gottes setzt, wenn Gott tatsächlich existiert. Doch auch wenn Gott nicht existiert, hat sich der Einsatz aus Sicht Pascals gelohnt: Denn ein gutes, gottgefälliges Leben ist Lohn an sich. Die Texte verfolgen das klare Ziel, Leserinnen und Leser mit logisch-rationalen Argumenten, mit Spieltheorie und Wahrscheinlichkeitsrechnung, zu überzeugen. Auch die Widersprüche im menschlichen Dasein, die in den "Pensees" beschrieben werden, prägten die Philosophie bis in die Neuzeit hinein. Friedrich Nietzsche ehrte ihn als "den einzigen logischen Christen"; der Schriftsteller Aldous Huxley betrachtete die Haltung Pascals eher kritisch als "diesseits-feindlich".
Vor sechs Jahren sagte Papst Franziskus in einem Interview über Pascal: "Ich glaube, dass er die Seligsprechung verdienen würde." Ein Jesuit, der einen Anhänger des Jansenismus seligspricht – das wäre religionsgeschichtlich bemerkenswert. Und es würde passen zum Autor von Zeilen wie: "Das Herz hat seine Vernunftgründe, welche die Vernunft nicht kennt."