Kardinal Burke: Konservativer Kirchenrichter und lauter Papstkritiker
Der 75. Geburtstag ist für Kardinal Raymond Burke kein einschneidendes Datum. Anders als bei Diözesanbischöfen liegt die Altersgrenze für Kurienämter bei 80 Jahren. Und so wird Burke weiter die wenigen Tätigkeiten im Vatikan ausüben, die ihm geblieben sind.
So ist Burke Mitglied des sehr exklusiven, seit 1988 bestehenden "Rates der Kardinäle und Bischöfe", dem neben dem Kardinalstaatssekretär nur fünf weitere Kardinäle angehören. Die Befugnisse dieses Rates sind selbst nach der jüngsten Kurienreform nicht wirklich geklärt.
Auch Mitglied der Heiligsprechungsbehörde ist Burke; und im Obersten Gericht, das er einst leitete, ist er seit einigen Jahren wieder Richter. Zudem nimmt er an allen Kardinals-Konsistorien teil – und mutmaßlich auch am nächsten Konklave. Immer dann, wenn alle Kardinäle in Rom zusammenkommen, ist er einer der sichtbaren Sprecher der Konservativen und bringt deren Kritik am Kurs des Papstes ins Wort. Doch wie weit sein Einfluss reicht, ist schwer einzuschätzen. Einen seiner wenigen verbliebenen Posten, den des "Patrons" für den Malteser-Ritterorden, hat Burke erst vor wenigen Tagen abgeben müssen.
Aus den USA nach Rom
Burke wurde am 30. Juni 1948 in einer Kleinstadt in Wisconsin als jüngstes von sechs Kindern geboren. Er studierte unter anderem an der Päpstlichen Universität Gregoriana, das war in den unruhigen 1970er Jahren nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. 1995 wurde Burke Bischof seines Heimatbistums La Crosse, 2004 Erzbischof der Metropole Saint Louis.
Benedikt XVI. ernannte den exzellenten Kirchenrechtler 2008 zum Vorsitzenden der Apostolischen Signatur; er war damit nach dem Papst der Oberste Richter im Vatikan. 2010 wurde er Kardinal. Benedikt XVI. und Burke teilten eine Faszination für die "Alte Messe" – und für klare Prinzipien in der kirchlichen Lehre.
Unter Papst Franziskus wurden die Säulen der Dogmatik, der Moraltheologie und des Kirchenrechts durch weiche Prinzipien wie Barmherzigkeit und seelsorgerische Empathie spürbar relativiert. Dadurch fanden sich Männer wie Burke in der Opposition wieder. Dass er den neuen Kurs nicht mitgehen wollte, zeigte Burke bei der ersten Bischofssynode zum Thema Familie im Oktober 2014. Auch ein Papst könne die kirchliche Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe nicht ändern, betonte er damals. Er war deshalb dagegen, als der Papst die Möglichkeit eröffnen wollte, dass auch Katholiken in zweiter Ehe unter Umständen zur Kommunion gehen können.
Wenige Wochen später berief ihn Franziskus als obersten Kirchenrichter ab. An der zweiten Runde der Weltbischofssynode zur Familie im Oktober 2015 durfte Burke nicht mehr teilnehmen. Das hinderte ihn nicht daran, die Ergebnisse zu kritisieren. Zur Unauflöslichkeit der Ehe, einer Glaubensfrage, fehle dem Synodenbeschluss die nötige Klarheit, schrieb Burke damals.
Als Franziskus im April 2016 im Papstschreiben "Amoris laetitia" den Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene in einer Fußnote für möglich erklärte, sah der Kirchenrechtler den Rubikon überschritten. Gemeinsam mit den Kardinälen Walter Brandmüller, Carlo Caffarra und Joachim Meisner verfasste er im September 2016 einen Brief an den Papst. In fünf "Zweifeln" (lateinisch: "dubia") fragten sie, ob diese Öffnung wirklich erlaubt und mit der Kirchenlehre vereinbar sei.
Zweifel am Papst: Als vier Kardinäle ihre "Dubia" veröffentlichten
Über den Kommunionempfang wiederverheirateter Geschiedener wird schon lange debattiert. Päpstlicher als der Papst sprachen sich 2016 vier Kardinäle in einem spektakulären Akt klar dagegen aus.
Der Text enthält angelsächsischen Humor und eine glasklare dogmatische Argumentation; er dürfte daher überwiegend aus Burkes Feder stammen. Franziskus hat zu den "dubia" stets geschwiegen. Mit Burke endgültig gebrochen hat er dennoch nicht.
Als er im Februar 2017 einen Sonderermittler brauchte, um einen schweren Missbrauchsfall auf Guam im Pazifik aufzuklären, schickte er Burke dorthin. Ein Jahr später wurde der dortige Erzbischof amtsenthoben. Dass Franziskus den Kirchenjuristen Burke weiter schätzte, machte er klar, als er ihn im September 2017 erneut zum Richter am Obersten Kirchengericht berief.
Burke zeigt Schwächen von Papstschreiben auf
Einen weiteren öffentlichen Konflikt mit dem Papst hatte Burke im Juli 2021. Als Franziskus die bisherige Toleranz für den Ritus der "Alten Messe" per "motu proprio" zurücknahm, veröffentlichte Burke eine scharfe Kritik. Darin wies er auf kirchenrechtliche, historische und theologische Schwächen des Papstschreibens hin.
Wie schon in früheren kritischen Äußerungen betonte er, er habe seine Ausführungen verfasst "als Bischof, als Kardinal, in Gemeinschaft mit dem Römischen Pontifex und mit einer besonderen Verantwortung, ihn in seiner Hirtensorge und in der Leitung der Weltkirche zu unterstützen". Auf die schonungslose Loyalität seines brillantesten Kritikers kann sich Papst Franziskus also weiter verlassen.