Clemens Maria Henkel leitet deutschsprachige Gemeinde in Lissabon

Deutscher Pfarrer: Portugal und Kirche profitieren vom Weltjugendtag

Veröffentlicht am 01.07.2023 um 12:10 Uhr – Von Matthias Altmann – Lesedauer: 

Bonn/Lissabon ‐ In genau einem Monat beginnt der Weltjugendtag. Wie gut ist Lissabon vorbereitet? Der Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinde in der portugiesischen Hauptstadt, Clemens Maria Henkel, gibt im katholisch.de-Interview einen Einblick – und berichtet von der Stimmung im Land gegenüber diesem Großereignis.

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Bald geht es los: Lissabon und die Teilnehmer aus aller Welt fiebern dem Weltjugendtag (WJT) entgegen genau wie Pfarrer Clemens Maria Henkel. Der Augsburger Diözesanpriester leitet seit 2018 die deutschsprachige katholische Gemeinde in der portugiesischen Hauptstadt. Ein Gespräch über den Stand der Vorberatungen, die Stimmung im Land gegenüber dem WJT, die Kirche in Portugal und seine eigenen Hoffnungen und Erwartungen.

Frage: Herr Pfarrer Henkel, in einem Monat beginnt der Weltjugendtag in Lissabon. Wie sehr ist das Stadtbild schon von den Vorbereitungen auf dieses Großereignis geprägt?

Henkel: Erst Ende vergangener Woche habe ich die drei Hauptstätten besucht, um mir selbst ein Bild vom Fortschritt der Vorbereitungen zu machen: Am sogenannten "Colina do Encontro" (Hügel der Begegnung) im Parque Eduardo VII, wo die Auftaktmesse, die Willkommensmesse mit Papst Franziskus und der Kreuzweg stattfinden werden, ist bereits das Gerüst der großen Bühne zu sehen. In der "Cidade da Alegria" (City of Joy) am Tejo-Ufer wird der Ort für die Beicht- und Berufungspastoral sein. Dort werden 150 Gelegenheiten für das Sakrament der Versöhnung in vielen Sprachen aufgebaut. Das Ganze befindet sich direkt gegenüber einer der Hauptsehenswürdigkeiten Lissabons, dem Hieronymitenkloster. Vom Fluss aus Richtung Nordosten, in der Nähe vom Bahnhof Sacavem, befindet sich im Parque Tejo das Gelände der Schlussveranstaltung, wo die Vigil und die Abschlussmesse mit Papst Franziskus stattfinden werden. Dort werden gerade die Sektoren für die Teilnehmer hergerichtet und eine aufwendige Altarbühne installiert, die nach dem WJT für Großveranstaltungen in dem Park bleibt.

Frage: Wie gut sehen Sie die Stadt auf den Besucheransturm vorbereitet?

Henkel: Das kann man von außen schwer einschätzen. Es werden rund eine Millionen Teilnehmer erwartet, was für ein Land mit etwa zehn Millionen Einwohnern eine große Herausforderung darstellt. Dazu muss man wissen, dass man in den südlichen Ländern Europas eine andere Herangehensweise hat, um ein Großereignis dieser Art zu bewältigen. Eine genaue Planung, die bereits viele Details mitdenkt, ist nicht üblich. Das Rahmenprogramm mit seinen Eckpfeilern steht zwar, aber vieles wird situativ und zeitnah entschieden, sodass auf Unvorhergesehenes noch eingegangen werden kann. Für viele kirchliche Stellen und Institutionen in Deutschland, die in der Jugendarbeit tätig sind, war das sehr gewöhnungsbedürftig. Einige sind bereits vor über einem Jahr hierhergekommen, um Informationen zu erhalten, damit Programme und Buchungen fest geplant werden können. Aber vor Ort war dann noch vieles in der Vorbereitungs- und Überlegungsphase. Doch nun spürt man allenthalben, dass der WJT näher rückt und alle Arbeiten mit Hochdruck abgeschlossen werden.

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Frage: Woran hapert es noch?

Henkel: Sicherlich an der Werbung und der Dynamik, von der ein Weltjugendtag lebt. Das liegt aber auch an der Mentalität der Portugiesen, die eher ein bedachtes Temperament haben. Was noch hinzukommt: Der Weltjugendtag findet während der Urlaubs- und Ferienzeit hier in Portugal statt. Diese ist bei den Portugiesen sehr von der Gemeinschaft im Familien- und Freundeskreis geprägt, sowie der Tradition, stets am gleichen Urlaubsort und zur selben Zeit zusammen zu sein. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Möglichkeit, Gastfamilien zu finden.

Auf der "technischen" Seite muss man sagen, dass das Anmeldeverfahren für die freiwilligen Helfer so umfangreich und anspruchsvoll war, dass es nicht wenige abgeschreckt hat. Inwieweit es noch erleichtert worden ist, kann ich nicht beurteilen. Der Weltjugendtag wird außerdem sehr digital sein – Einlässe und Serviceleistungen gehen nur über den QR-Code der Teilnehmer, was gerade bei älteren Priestern, aber nicht nur bei diesen, Vertrautheit mit digitaler Anmeldung voraussetzt. Ich denke hier besonders an die verschiedenen Anmeldephasen mit Passwörtermitteilungen für die einzelnen Programmpunkte und die Gottesdienste.

Frage: Welche Stimmung nehmen Sie grundsätzlich in der Stadt und im Land gegenüber dem Weltjugendtag wahr?

Henkel: Portugal hat eine jahrhundertelange katholische Tradition und ist mehrheitlich katholisch. Die Priester und die kirchlichen Mitarbeiter haben bis heute immer noch eine gute Akzeptanz, trotz der vermehrt auch von der Öffentlichkeit aufgegriffenen innerkirchlichen Skandale. Aber natürlich gibt es auch in Portugal einen sehr starken säkularen Anteil in der Bevölkerung, der dem kirchlichen Leben distanziert bis gleichgültig gegenübersteht – gerade in der Hauptstadt Lissabon. Insgesamt nehme ich die Stimmung gegenüber dem Weltjugendtag allerdings als positiv wahr. Das vergleichsweise kleine Land und seine Einwohner freuen sich, Gastgeber für ein so großes weltkirchliches Ereignis zu sein. Die Medien berichten darüber insgesamt wohlwollend. Man ist gespannt und neugierig.

Frage: Es klang gerade schon etwas an: In welcher Lage befindet sich die Kirche in Portugal aktuell?

Henkel: Was mir immer wieder auffällt: Die Glaubenssubstanz und das Glaubenswissen sind in weiten Teilen der Bevölkerung immer noch groß. Der Umgang mit der Kirche und ihren Repräsentanten sowie dem christlichen Glauben generell ist bis heute von Respekt geprägt. Zumal die Kirche schon immer eine wichtige Rolle bei der Betreuung der Armen gespielt hat. Selbst Atheisten oder jene, die der Kirche ablehnend gegenüberstehen, nehmen das anerkennend zur Kenntnis. Die Thematik des Missbrauchs durch Geistliche hat allerdings die Kirche und Land schwer erschüttert und zu Polarisierungen geführt. Es gibt in der Kirche in Portugal nämlich gegensätzliche Auffassungen darüber, wie man juristisch und medial, sowie in Fragen der Entschädigung, mit diesen Vorfällen umgehen soll. Die Diskussion darüber ist noch nicht beendet – und ein Konsens in diesen Fragen nicht in Sicht.

Clemens Maria Henkel
Bild: ©privat

"Das vergleichsweise kleine Land und seine Einwohner freuen sich, Gastgeber für ein so großes weltkirchliches Ereignis zu sein. Die Medien berichten darüber insgesamt wohlwollend. Man ist gespannt und neugierig": Pfarrer Clemens Maria Henkel über den portugiesischen Blick auf den Weltjugendtag.

Frage: Was beschäftigt die Kirche in Portugal ansonsten noch besonders?

Henkel: Leider gehen auch hier die Priesterberufungen zurück, und das seit längerer Zeit. Das ist eine Entwicklung, die der Ortskirche Sorgen macht. Dafür gibt es viele Ständige Diakone, die engagiert und mit vielen ehrenamtlichen Helfern zu einem lebendigen Gemeindeleben beitragen. Die Pfarreien, besonders auf dem Land, nehmen dort wichtige soziale, gesellschaftliche und kulturelle Aufgaben wahr, die das Leben vor Ort bis heute mitgestalten.

Frage: In Portugal gab eine Debatte über die Finanzierung des Weltjugendtags. Unter anderem mussten die Kosten für die Altarbühne für den Abschlussgottesdienst deutlich gesenkt werden. Wie stark sind die kritischen Stimmen noch?

Henkel: Die Kritik muss man insofern verstehen, weil das Land im vergangenen Jahr mit schweren Waldbränden, Überschwemmungen und wirtschaftlichen Problemen durch die Corona-Pandemie zu kämpfen hatte. Da der Staat und die Stadt Lissabon den WJT wegen der begrenzten finanziellen Mittel der Kirche hierzulande stark unterstützen müssen, können soziale Hilfspakete für Bedürftige nicht in höherem Umfang zur Verfügung gestellt werden. Da hat es sich sogar als Vorteil erwiesen, dass die Planungen länger gedauert haben, weshalb die Verträge mit den beteiligten Firmen und die Kostenstruktur leichter angepasst – das heißt erheblich gekürzt – werden konnten. Ich gehe davon aus, dass die Bühne vor allem für die Fernsehübertragungen notwendig ist, da viele Teilnehmer und Zuschauer die Zeremonie mit dem Papst über Großbildschirme mitverfolgen werden.

Frage: Wie blicken Sie persönlich auf diese Kostendiskussion?

Henkel: Ich denke, dass dabei die Chancen eines solchen Ereignisses unterschätzt werden. Ich bin überzeugt, dass das Gastland Portugal materiell, finanziell und ideell insgesamt mehr gewinnt als es aufwendet. Die wochenlange Präsenz in den Medien und die jungen Menschen, die über die sozialen Medien kommunizieren, werden die Botschaft dieses WJT in alle Winkel der Erde hinaustragen. Und was die Kirche angeht: Die Erfahrung, den christlichen Glauben einmal in einer so großen Gemeinschaft, in Einigkeit und im Miteinander zu erleben, ist unersetzlich. Das wiegt für mich so in einer Zeit der Polarisierung in Staat, Gesellschaft und Kirche, die den Zusammenhalt der Menschen immer mehr gefährdet, sehr viel auf. Brauchen wir nicht gerade Ereignisse, die uns helfen, uns auf Wesentliches zu fokussieren? Ich meine damit, eine Hoffnung in den Blick zu nehmen, die unsere Möglichkeiten übersteigt: der Glaube an Gott und seine Gegenwart unter denen, die ihn suchen. Vergangene Weltjugendtage haben bei vielen jungen Teilnehmern wieder zur Freude am und zur Stärkung durch den Glauben beigetragen, woraus auch viele Berufungen hervorgegangen sind.

Bild: ©eugenesergeev - stock.adobe.com (Symbolbild)

Der Weltjugendtag passt gut nach Portugal und Lissabon, findet Pfarrer Clemens Maria Henkel.

Frage: Werden Sie und die deutschsprachige Gemeinde in Lissabon auch in irgendeiner Form am Weltjugendtag beteiligt sein?

Henkel: In unserem Pfarrhaus und -saal ist da nicht viel möglich. Aber einige Gemeindemitglieder haben sich bereit erklärt, Teilnehmer aufzunehmen. Mein Gästezimmer ist bereits seit Monaten vergeben. Bei uns hat sich die Abteilung Weltkirche aus dem Bistum Augsburg mit einer Gruppe aus Estland angekündigt, die sich zusammen mit einer Stadtpfarrei aus der Diözese angemeldet hat. Ferner kommt die portugiesische Auslandsgemeinde des Erzbistums Köln zu uns, um in unserer kleinen Rokoko-Kirche eine Messe zu feiern. Es ist auch geplant, dass ich mich mit der Jugend 2000 Augsburg und den WJT-Teilnehmern des Bischöflichen Jugendamts Augsburg in Fatima treffe. Sie kommen von ihrem Gastprogramm vor dem Weltjugendtag in Porto am Heiligtum vorbei, bevor sie nach Lissabon weiterfahren. Ich selbst bin auch an den Nachmittagen in der "Cidade da Alegria" für die Beichte eingeteilt, sowie für die Beichtaushilfe von Bewegungen wie dem Neokatechumenat.

Frage: Was ist Ihre ganz persönliche Hoffnung für den Weltjugendtag?

Henkel: Ich bin gespannt auf die Menschen, die aus allen Teilen der Welt mit ganz unterschiedlichen Motiven zum Weltjugendtag kommen. Wir treffen Christen, die uns von ihrem Glaubens- und Alltagsleben erzählen werden und ihren Kulturkreis präsent und erfahrbar machen. Deswegen passt der Weltjugendtag sehr gut nach Lissabon. Es war Papst Franziskus ein großes Anliegen, dass er hier stattfindet, weil das Land aufgrund seiner Geschichte viel Erfahrung im Umgang mit fremden Kulturen und Ethnien hat. Ich freue mich auf ein fröhliches Gemeinschafts- und Glaubensfest.

Von Matthias Altmann