Äbtissin: Bei Mitbestimmung kann man sich bei Orden etwas abschauen
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Sie trägt Hirtenstab und Brustkreuz und ist "geweiht: Christiana Reemts ist seit 18 Jahren Äbtissin des Benediktinerinnenklosters Mariendonk, obwohl ihre Mitschwestern anfangs ziemliche Zweifel hatten, ob sie im Kloster richtig aufgehoben ist. Im Interview spricht sie über Demokratie in der Kirche und gibt ihre Einschätzung zur Diskussion über das Thema Frauenweihe. Und sie verrät, warum ihr die Anrede "Schwester Christiana" lieber ist.
Frage: Sie sind seit 2005 Äbtissin des Benediktinerinnenklosters Mariendonk. Warum spreche ich Sie denn eigentlich als "Schwester Christiana" an und nicht als "Mutter Christiana"?
Sr. Christiana: Meine Mitschwestern nennen mich noch "Mutter Christiana". Ich bin ja nicht ihre Mutter, es sind alles erwachsene Frauen, aber sie drücken damit aus, dass ich die Verantwortung habe. Für Außenstehende habe ich aber immer gesagt, finde ich die Anrede nicht so angemessen, obwohl ich es interessant finde, dass es viele Außenstehende gibt, zum Teil auch unsere Angestellten, die es auch vorziehen, mich "Mutter Christiana" zu nennen. Eigentlich würde ich aber auch von meinem Selbstverständnis her sagen, ist eher "Schwester Christiana" die richtige Anrede.
Frage: Was eigentlich ja von der Logik her Sinn macht, im familiären Verband spielt der Begriff "Mutter" eine größere Rolle als gegenüber Außenstehenden. Ich würde ja jetzt die Mutter von einem Kollegen, ...
Sr. Christiana: ... auch nicht Mutter nennen, ja.
Frage: Bei männlichen Geistlichen und Ordensleuten gibt es die Stufen des Laienbruders, des Priesters und des Abtes, der in gewisser Weise mit dem Bischof gleichzusetzen ist. Sie als Äbtissin haben auch eine Weihe empfangen, die aber eher ein Segen, eine Benediktion wie beim männlichen Abt ist. Obwohl wir also in der katholischen Kirche sagen, es gibt keine Frauenweihe, spreche ich mit Ihnen als "geweihte" Frau. Können Sie das theologisch erklären?
Sr. Christiana: Viel wichtiger noch: Als Äbtissin wird man von den Mitschwestern gewählt. Diese Weihe, die Benediktion, ist dann im Grunde der Segen der Kirche, der nachträglich zu der Wahl der Schwestern hinzugefügt wird.
In der Praxis ist es auch das Fest, wo man dann alle Freunde und Bekannten einlädt, was am Wahltag eher nicht der Fall ist. Man weiß ja noch gar nicht, ob man zu einem Ergebnis mit Zwei-Drittel-Mehrheit kommt. Die Weihe kommt dann vier oder acht Wochen später. Es ist für eine Gemeinschaft auch ein freudiges Ereignis, wenn man eine neue Äbtissin hat, und das will man auch feiern.
Normalerweise wird die Segnung auch durch den Bischof der Diözese vorgenommen, sodass auch wirklich die Diözese, in der das Kloster ist, das noch mal bestätigt und natürlich auch daran teilnimmt.
Frage: Es ist aber schon ein liturgischer Ritus. Sie bekommen auch den Hirtenstab (oder Hirtinnnenstab)? Und eine Mitra?
Sr. Christiana: Man bekommt den Stab und den Ring. Ich habe einerseits den Professring, den alle Schwestern haben, aber ich habe auch noch einen Äbtissinnenring, der in gewisser Weise das Zeichen meiner Verantwortung für die Gemeinschaft ist. Das Kreuz, ich kann mich nicht mehr erinnern, meine ich, habe ich schon bei der Wahl umgehängt bekommen.
Frage: Welche Rolle spielen denn für Sie diese Insignien? Spielt das für Sie eine Rolle als Zeichen der Autorität, die Ihnen übertragen wurde? Oder spielt das auch eine spirituelle Rolle, dass Sie diese Segnung/Weihe bekommen haben?
Sr. Christiana: Es spielt auch eine spirituelle Rolle, aber es ist nicht so, als würde ich jeden Tag daran denken. Wenn ich aber eingeladen bin, wenn in anderen Klöstern Äbte oder Äbtissinnen geweiht werden, dann höre ich das nochmal, was mir zugesprochen ist: Man muss sich um die Armen kümmern und man soll den Bischof der jeweiligen Diözese unterstützen und dem Papst gehorsam sein. Da denke ich schon: Ja, das hast du auch alles versprochen. Insofern hat es auch eine spirituelle Bedeutung.
Es ist mir auch bewusst, dass ich nicht nur für meine Mitschwestern die Verantwortung habe, sondern auch für unsere Gäste und Angestellten, aber auch für die im weitesten Sinne Armen, die zu unserem Kloster kommen, also für Menschen, die unsere Hilfe brauchen. Mir ist bewusst, dass ich da nicht einfach sagen kann: Das ist nicht unser Ding, es soll sich jemand anderes drum kümmern: Das ist meine und unsere Verantwortung und das wurde mir ausdrücklich so zugesprochen.
Frage: Wir diskutieren in der Kirche viel über die Weihe von Frauen zu Diakoninnen und Priesterinnen. Wird das Thema vielleicht zu hoch gehängt? Sie haben als "Gesegnete", als Nicht-Priesterin doch vieles an der Verantwortung, die an anderer Stelle ein geweihter Priester, Abt oder Bischof hat. Im Mittelalter gab es beispielsweise wirklich mächtige Äbtissinnen, die von ihrem Verantwortungsbereich her viel mehr zu sagen hatten als mancher Bischof heute.
Sr. Christiana: Tatsächlich glaube ich, dass das eine Diskussion ist, die man weiten müsste. Ich habe durchaus ein ziemlich gesundes Selbstbewusstsein. Für die Gemeinde hier am Ort, Mariendonk, habe ich die Verantwortung und die Leitung – nicht der Priester, der morgens zur Messe kommt. Im Gegenteil, ich muss auch die Verantwortung haben: Wollen wir den noch mal einladen oder wollen wir den nicht einladen?
Aber auch was hier geistig und theologisch passiert, dessen bin ich mir auch sehr bewusst, muss ich verantworten. Sowohl, dass die Schwestern im Glauben wachsen, als auch Dinge, die vielleicht nebensächlich erscheinen: dass unsere Angestellten anständig behandelt und bezahlt werden und dass den Gästen was Vernünftiges erzählt wird und nicht irgendwelche Esoterik. Es gibt so viele Dinge, die wichtig sind und die unter Umständen auch schieflaufen können, wenn sich niemand darum kümmert.
„Für die Gemeinde hier am Ort, Mariendonk, habe ich die Verantwortung und die Leitung – nicht der Priester, der morgens zur Messe kommt.“
Frage: Denken Sie denn, dass das Kloster da etwas vorlebt, wovon die Kirche im Allgemeinen sich etwas abgucken kann? Sie haben ja zum Beispiel vorhin auch gesagt, dass Sie als Äbtissin von der Gemeinschaft gewählt wurden. Wir reden viel über Mitbestimmung, aber wir denken gar nicht so wirklich daran, dass es an vielen Stellen in der Kirche Demokratie, Mitbestimmung und Wahlen schon seit Jahrhunderten gibt und das auch eine große Rolle spielt.
Sr. Christiana: Ich bin gewählt und der Wahlritus sieht vor, dass alle Mitschwestern mitwählen können, die das volle Stimmrecht haben, also nicht Novizinnen, die noch in der Entscheidung sind, ob sie überhaupt bleiben. Ich musste mindestens eine Zweidrittelmehrheit haben, was ja auch Sinn macht. Eine Äbtissin, wo die Hälfte sagt, um Gottes Willen, die wollen wir aber gar nicht, die hätte einen sehr schweren Stand.
Ich bin ja hier kein Monarch, der alles bestimmt, sondern bei im Grunde allen wesentlichen Entscheidungen muss ich entweder das Seniorat, also den Rat der Äbtissin befragen oder auch die ganze Gemeinschaft. Das finde ich auch richtig, weil das doch schon sehr demokratisch abläuft. Ich kann das nicht so gut beurteilen, aber wenn ich manchmal höre, wie Menschen dem Bischof oder Pfarrer vorwerfen, dass völlig über die Köpfe hinweg entschieden wird, dann finde ich das traurig.
Ich finde das sehr problematisch und auf Dauer ist das auch nicht zielführend. Man muss ja auch Menschen mitnehmen. Insofern glaube ich einerseits schon, dass man sich von den Orden etwas abschauen kann. Andererseits muss ich natürlich auch sagen, es ist eine sehr kleine Gruppe, die eine Basisdemokratie auch wirklich leben kann. Schon eine Pfarrgemeinde, geschweige denn ein Bistum ist ja eine völlig andere Nummer.
Frage: Was bringt Ihnen Hoffnung?
Sr. Christiana: Meine Hoffnung setze ich tatsächlich darauf, dass nicht wir die Welt in der Hand haben, sondern der Herr. Insofern kann ich auch diese ganze Weltuntergangsstimmung sowohl in der Kirche, aber auch in der Gesellschaft einerseits verstehen, das stimmt alles. Ich leugne weder den Klimawandel noch sonstige Probleme. Ich glaube aber trotzdem, dass wir uns zu wichtig nehmen und dass wir als Christen Grund haben, darauf zu vertrauen, dass es eine Zukunft gibt, die nicht davon abhängt, ob wir sie machen.