Keine gemeinsame Basis?

Historiker: AfD wird in katholischem Milieu wohl nicht Fuß fassen

Veröffentlicht am 14.08.2023 um 11:34 Uhr – Lesedauer: 

Münster/Hamburg ‐ "Selbst der wachsende ultrakonservative Teil des Katholizismus ist zwar vor- oder antidemokratisch orientiert, aber weniger im Sinne der AfD völkisch oder nationalistisch", glaubt Historiker Thomas Großbölting.

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Im katholischen Milieu wird die AfD nach Einschätzung des Hamburger Historikers Thomas Großbölting voraussichtlich nicht Fuß fassen. "Die systematische Abwertung von Menschen und die extrem nationalistischen Parolen widersprechen der Idee der Nächstenliebe so stark, dass es da keine gemeinsame Basis gibt oder geben sollte", sagte der Experte für das 20. Jahrhundert am Montag dem Portal "kirche-und-leben.de" in Münster. "Selbst der wachsende ultrakonservative Teil des Katholizismus ist zwar vor- oder antidemokratisch orientiert, aber weniger im Sinne der AfD völkisch oder nationalistisch."

Das Erstarken der AfD sieht Großbölting gelassen. "Die Situation ist bedenklich, ohne aber dass ich deswegen von einer grundsätzlichen Gefährdung unseres politischen Systems ausgehe", sagte der Historiker. Von den immer wieder beschworenen Weimarer Verhältnissen sei die gegenwärtige Situation weit entfernt. In aktuellen Umfragen landet die rechtspopulistische AfD bei 21 Prozent und damit auf Platz zwei der Parteien im Bundestag.

Alarmierend

"Ich halte unsere Gesellschaft für widerstandsfähiger und intakter, als sie medial momentan dargestellt wird", so Großbölting. Selbst in den Bundesländern, in denen der Rechtspopulismus bei Wahlen besonders starke Ergebnisse einfährt, bewegten sich doch vier von fünf Wählerinnen und Wählern auf dem Boden der Verfassung. Für alarmierend halte er, wie völlig unverhohlen immer größere Teile der Rechtspopulisten verfassungsfeindlich aufträten – und wie wenig darauf mit einer konsequenten Abgrenzung zur AfD reagiert werde. "Politisch im Gespräch bleiben muss man mit den Wählern der Partei, aber nicht mit ihren Funktionären."

Nach Ansicht von Großbölting erfahren sich immer weniger Bürger als Teil eines Ganzen, das politisch handlungsfähig ist und Gesellschaft gestalten kann. "Stattdessen schauen viele auf den Staat als Problemlöser und konstatieren dann vor allem dessen Schwäche oder gar Versagen." Der Historiker hob hervor: "Demokratie lebt von beidem, der klugen Politik der Regierenden auf den verschiedenen Ebenen ebenso wie vom Mittun der vielen Bürgerinnen und Bürger." (tmg/KNA)