Die "K-Frage" bleibt
Zwar machen Ärzte im Kampf gegen die tückische Krankheit, die nach und nach das menschliche Abwehrsystem lahmlegt, Fortschritte. Aber gerade in Afrika, wo ein Großteil der aktuell rund 35 Millionen Infizierten lebt, fehlt es weiterhin an Medikamenten und weiteren Hilfen.In diese Bresche springt neben Nichtregierungsorganisationen und UN-Einrichtungen unter anderem die katholische Kirche. Und das mit großem Engagement, wie Fachleute aus Deutschland und Afrika in einer am Dienstag von der Deutschen Bischofskonferenz vorgestellten Studie bescheinigen. Für die 130 Seiten starke englischsprachige Untersuchung mit dem Titel "Lehren aus den Antworten der katholischen Kirche auf HIV und Aids in Afrika" werteten die Theologen und Gesundheitsexperten im Auftrag der Kommission Weltkirche der Bischofskonferenz zwischen 2010 und 2013 Daten und Fakten aus eben jenen drei Staaten Äthiopien, Sambia und Malawi aus.
Oftmals übernehme die Kirche eine "Wachhund-Funktion", weil sie über gute Kontakte zur Politik aber auch eine enge Anbindung an die lokale Bevölkerung verfüge und dadurch helfe, wirksame Maßnahmen gegen Aids anzustoßen. In ganz Afrika sollen auf diese Weise bis zu 40 Prozent der Infizierten Unterstützung durch die Kirche oder die von ihr mitverantworteten Programme erhalten. Im Zentrum stehen konkrete Angebote wie die Pflege zuhause oder Hilfen für Angehörige. Daneben leistet die Kirche Aufklärungsarbeit: von der Dorfgemeinschaft bis hin zur Regierungsebene.
Zusammenarbeit mit muslimischen Gemeinschaften
Für Sambia verweisen die Autoren der Studie, darunter Vertreter des Missionsärztliche Instituts Würzburg und von missio Aachen, auf die seit über 100 Jahren gewachsene Kooperation mit den Behörden im Gesundheitssektor. Im multiethnischen Äthiopien legen die Bistümer ein besonderes Augenmerk auf die Zusammenarbeit mit den muslimischen Gemeinschaften. Die katholische Kirche in Malawi wiederum verfügt seit 2004 über eine eigene Gesundheitskommission. Sie soll auf nationaler Ebene die einzelnen Programme koordinieren.
Doch der Report nennt auch Schwachstellen und ruft zu mehr Transparenz und Aufklärung auf. So sollten medizinische, ethische und seelsorgliche Kenntnisse beim Kampf gegen die Krankheit in der Ausbildung von Priestern und pastoralen Mitarbeitern stärker berücksichtigt werden. Immer noch hätten zudem HIV-positive Kirchenbedienstete große Probleme, offen über ihre Erkrankung zu sprechen. In den zwischen 2010 und 2013 durchgeführten Feldstudien habe kein einziger Priester, Ordensmann und keine einzige Ordensfrau mit HIV in den drei Ländern zu dem Thema befragt werden können - "obwohl mehrere Personen bestätigten, dass sie mindestens einen oder mehrere kennen".
"Innerkirchliches Schweigen" brechen
Dieses "innerkirchliche Schweigen" müsse gebrochen werden, heißt es in der Untersuchung. Als weitere große Herausforderung benennen die Experten die Debatte über den Gebrauch von Kondomen insbesondere bei Paaren, von denen einer der Partner HIV-positiv ist. Der Einsatz von empfängnisverhütenden Mitteln widerspreche der katholischen Morallehre. Andererseits böten Kondome Schutz vor einer Ansteckung mit dem Aids-Virus.
Das Spektrum der Antworten, die Kirchenführer mit Blick auf den Kondomgebrauch formulierten, reiche von einer allgemeinen Freigabe von Präservativen bis hin zu dem Rat, auf Geschlechtsverkehr zu verzichten, um eine Weitergabe der Krankheit zu verhindern. Daraus ergebe sich in der Praxis ein "moralisches Dilemma", dessen Lösung dringend angegangen werden müsse. Um die "K-Frage", auch das ist eine Botschaft der Studie, werden die Verantwortlichen nicht herumkommen.
Von Joachim Heinz (KNA)