Zollner: Schweizer Missbrauchsstudie zeigt Mängel der Kirche
Der Psychologe und Präventionsexperte Hans Zollner sieht die Schweizer Missbrauchsstudie als weiteren Beleg für den Reformbedarf in der katholischen Kirche. Der am Dienstag vorgestellte Bericht über sexuellen Missbrauch in der Kirche der Schweiz beweise "dieselben systemischen Fehler und Unzulänglichkeiten, die in der Kirche weltweit zu Verbrechen und ihrer Vertuschung geführt haben", schreibt der Jesuit auf der Website des Magazins "Forum" der Kirche im Kanton Zürich.
Herauskommen "aus der Lähmung"
"Jetzt gilt es, herauszukommen aus der Lähmung, aus der maßlosen Enttäuschung und Wut, und das beizutragen, was jede und jeder für sich und sein Umfeld tun kann", so Zollner. Dazu gehöre, Betroffene von Missbrauch anzuhören, "vor ihren Geschichten und ihren Anliegen nicht wegzulaufen", und im Gespräch mit ihnen herauszufinden, was Kirche und Gesellschaft gegen Missbrauch tun könnten. Viel zu oft habe die Kirche vor Betroffenen die Türen zugeschlagen, wenn sie sich äußern wollten. Auch Pfarrgemeinden und deren Laienvertreter hätten Täter mild behandelt. Viel zu oft "stand der Ruf von Pfarrei, Diözese und Kirche zu weit oben auf der Prioritätenliste", beklagt Zollner.
Die am Dienstag veröffentlichte Studie der Universität Zürich im Auftrag der Kirche ermittelte mindestens 921 Opfer sexuellen Missbrauchs im Umfeld der katholischen Kirche der Schweiz. Identifiziert wurden seit Mitte des 20. Jahrhunderts 1.002 Fälle und 510 Beschuldigte. Die Verfasser der Studie sehen darin jedoch nur "die Spitze des Eisbergs". So konnten zahlreiche Aktenbestände, etwa von katholischen Schulen und Heimen, noch nicht ausgewertet werden.
Der 56 Jahre alte Theologe und Psychotherapeut Zollner hatte im Frühjahr die päpstliche Kinderschutzkommission verlassen, weil es dort an Transparenz fehle. Er ist Leiter des anthropologischen Instituts der päpstlichen Universität Gregoriana. (KNA)