"Der Pilger" feiert 175-jähriges Jubiläum
Manchmal steht "Der Pilger" neben dem "Playboy". Und zwar immer dann, sagt Verlagsgeschäftsführer Marco Fraleoni, wenn Bahnhofsbuchhandlungen ihre Zeitschriftentitel nicht thematisch, sondern alphabetisch sortieren. Seit sechs Jahren gibt es das Speyerer Bistumsblatt nicht nur im klassischen Gewand der wöchentlichen Kirchenzeitung, sondern vier Mal im Jahr auch als eine Art christliche "Landlust" mit Lifestyle-Themen für ein gelingendes Leben.
Dieser Spagat ist eine Folge des sich rasant wandelnden Medienmarkts: immer weniger Leser, immer ältere Leser, immer geringere Einnahmen durch Werbung. Mit fatalen wirtschaftlichen Konsequenzen, die den "Pilger" und seine Druckerei 2009 in die Insolvenz führen und zu einem neuen Nachdenken darüber zwingen, wie eine Kirchenzeitung im 21. Jahrhundert überleben kann. Fraleoni zeigt sich optimistisch, dass sein Medium es schaffen wird.
Begonnen hatte in Speyer alles am 1. Januar 1848, dem Jahr der deutschen Revolution. Die Verantwortlichen wollten dem Katholizismus in einer sich abzeichnenden pluralen Gesellschaft Gesicht und Stimme geben – und gründeten vorausblickend die weltweit erste Kirchenzeitung. 13 Jahre vor dem "L'Osservatore Romano", dem offiziellen Organ von Heiligem Stuhl und Vatikan.
1848, das ist nicht nur das Jahr der Revolution, es steht auch für die Gründung der Vorläuferorganisation des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und den ersten Katholikentag, der knapp 100 Kilometer rheinabwärts in Mainz stattfand. Demokratie und Pressefreiheit, Selbstorganisation der Laien und Engagement für die Gesellschaft – das alles begleitet der "Christliche Pilger", wie er damals heißt, freundlich-wohlwollend.
Hohe personelle Kontinuität beim "Pilger"
Klar stellt sich die Wochenzeitschrift später gegen anti-kirchliche Strömungen, die die Kirchen nach französischem Vorbild möglichst ganz aus gesellschaftlichen Debatten heraushalten wollen. 1941 verbieten die Nationalsozialisten das Blatt. "Der Pilger" verstummt, geht aber im November 1945 wieder an den Start. Allerdings unter erschwerten Vorzeichen, weil das Saarland damals nicht zu Deutschland, der Saarpfalz-Kreis aber weiter zum Bistum Speyer gehört. Über Jahre erscheint das Blatt mit zwei unterschiedlichen Ausgaben und muss, so eine Anekdote, eine Zeit lang sogar über die saarländisch-deutsche Grenze geschmuggelt werden.
Bei allen Veränderungen profitiert "Der Pilger" von hoher personeller Kontinuität: Exakt ein Dutzend Chefredakteure begleiten seit 175 Jahren das weltweite Geschehen und das Wirken von zwölf katholischen Bischöfen in der Pfalz. Neu ist seit Anfang vergangenen Jahres eine redaktionelle Doppelspitze: Hubert Mathes verantwortet die jährlich 46 Ausgaben im traditionellen Format, Steffi Piening die 4 gleichnamigen Magazin-Ausgaben. Beide Blätter zusammen bilden ein Abonnement.
Für die Redaktion bedeutet das einen Spagat – der aber zum wirtschaftlichen Überleben notwendig ist. Von den vier überregionalen "Pilger"-Magazinen verkaufen sich nach Verlagsangaben zwischen 25.000 und 28.000 Exemplare. Weil diese stark über Lesezirkel etwa für Arztpraxen und Friseurläden angeboten werden, ergibt sich – für Kirchenzeitungen ansonsten undenkbar – eine siebenstellige Zahl an Leserkontakten. Das wiederum macht das Blatt für Werbetreibende attraktiv. Themen heißen "Spirituelle Erfahrungen in der Ferienzeit", "Selbst gemachte Bienenwachstücher" oder "Wie können wir mit der Angst umgehen, ohne uns von ihr lähmen zu lassen".
Die Zahl der Vertriebswege wächst ständig: Grossisten in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Benelux-Staaten, konfessionelle Buchläden und Klosterbuchhandlungen sowie Abonnements speziell für die vier großen Magazinausgaben – auch online. Fraleoni betont Gemeinsames. Er sieht das Magazin mit 35.000 Facebook-Followern als "Reichweitenverstärker", immer geht es um christliche Sinnsuche: "Wir geben Hoffnung und Inspiration für eine lebenswerte Welt. Wir wollen Anker sein – und das treibt uns an."
Gefeiert wird das 175-Jahr-Jubiläum am Sonntag. Mit einem Gottesdienst im Kaiserdom und einer Feier, zu der alle im Bistum eingeladen sind. "Der Pilger" will sich seiner regionalen Wurzeln erinnern – und zugleich viele darüber hinaus erreichen.