Scharfe Kritik an Papst, Kardinalvikar und Visitator

Missbrauchsbetroffene entsetzt über neue Entwicklungen im Fall Rupnik

Veröffentlicht am 20.09.2023 um 11:31 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ Mehrere Ordensfrauen werfen dem Ex-Jesuiten Marko Rupnik Missbrauch vor, zeitweise war er exkommuniziert. Doch der Visitator seiner Gemeinschaft und Werkstatt in Rom will keine Probleme gefunden haben – Betroffene reagieren in einem Brief empört.

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Missbrauchsbetroffene äußern scharfe Kritik am Umgang des Papstes und des Vikariats Rom mit dem mutmaßlichen Missbrauchstäter Marko Rupnik und dem von ihm gegründeten "Centro Aletti". Die jüngsten Ereignisse zeigten, dass die Kirche sich nicht um Opfer kümmere, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Offenen Brief. "Die Rede von der 'Nulltoleranz gegenüber Missbrauch in der Kirche' ist nur eine Marketingkampangne. Tatsächlich werden Missbrauchstäter oft im Nachhinein unterstützt und ihre Taten vertuscht", so der Brief weiter. Die Autorinnen reagieren damit auf den am Montag veröffentlichten Visiationsbericht des Vikariats Rom, in dem der Visitator Zweifel an den Vorwürfen gegen Rupnik äußerte, die zu seiner kurzzeitigen Exkommunikation führten. Zuvor hatte der Papst die derzeitige Leiterin des "Centro Aletti" in einer Privataudienz empfangen. Der Brief ist an den Papst, Kardinalvikar Angelo De Donatis, den Präsidenten der Italienischen Bischofskonferenz sowie den Ordenspräfekten adressiert.

Die Unterzeichnerinnen seien angesichts dieser Ereignisse sprachlos. Die Worte des Papstes beim Weltjugendtag in Lissabon, dass in der Kirche "alle, alle, alle" willkommen seien, sehen die Autorinnen des Briefs als leere Worthülsen, "denn schließlich ist in dieser Kirche kein Platz für diejenigen, die sich an unbequeme Wahrheiten erinnern". Als Betroffene seien sie dafür gerügt worden, offen über erlittenes Leid zu sprechen. Während die Leiterin des "Centro Aletti" durch den Papst empfangen wurde, habe er ein Treffen mit den Betroffenen stets verweigert und nicht einmal auf Briefe von betroffenen Ordensfrauen reagiert. Eine Aufarbeitung der Vorwürfe der Mitglieder der slowenischen Ordensgemeinschaft, der Rupnik nahestand, und ihrer Gründerin stehe noch aus. Mit dem nun veröffentlichten Visitationsbericht werde der Schmerz der Opfer weiter verhöhnt.

In der Mitteilung über das Ergebnis der kanonischen Visitation des "Centro Aletti", das im Bistum Rom als öffentlicher kanonischer Verein organisiert ist, werden alle Vorwürfe gegen die Mosaikwerkstatt und die daran angegliederte Gemeinschaft zurückgewiesen. Außerdem äußerte der Visitator, der römische Kirchenrechtsprofessor Giacomo Incitti, Zweifel an den Vorwürfen sexualisierter Gewalt gegen Rupnik. Gemäß seines Auftrags habe er nicht nur die Einrichtung untersucht, sondern auch die wichtigsten Vorwürfe, die gegen Rupnik vorgebracht wurden, "insbesondere diejenigen, die zu dem Antrag auf Exkommunikation führten". Dabei habe der Visitator "schwerwiegende Anomalien" bemerkt, heißt es in der Mitteilung des Vikariats. Diese Unregelmäßigkeiten ließen "begründete Zweifel an dem Exkommunikationsantrag selbst" aufkommen. Kardinalvikar De Donatis habe aufgrund der Bedeutung dieser Feststellung die zuständigen Behörden informiert. Weitere Angaben zur Bewertung von Vorwürfen gegen Rupnik machte das Vikariat nicht. Die Visitation wurde im Januar durch den Kardinalvikar angeordnet, der das Vikariat Rom, den Bistumsteil außerhalb des Vatikans, im Namen des Papstes leitet.

Aus dem Jesuitenorden ausgeschlossen

Am vergangenen Freitag hatte Papst Franziskus Rupniks Nachfolgerin in der Leitung des Centro Aletti, Maria Campatelli, empfangen. Campatelli verteidigte in der Vergangenheit Rupnik und sprach von einer Medienkampagne. Mehrere Frauen werfen Rupnik vor, er habe sie sich unter Ausnutzung seiner Autorität als Priester sexuell gefügig gemacht. Der Fall Rupnik wurde im Dezember 2022 publik. Ermittlungsverfahren des Jesuitenordens unter Leitung der Glaubenskongregation endeten mit der Feststellung, dass die mutmaßlichen Verfehlungen verjährt seien. In einem anderen Fall war Rupnik im Mai 2020 nach drei Jahren Ermittlungen und Verfahren per Dekret der Glaubenskongregation exkommuniziert worden. Er hatte eine der Frauen, die er zum Geschlechtsverkehr gedrängt hatte, in der Beichte von dieser Tat losgesprochen. Noch im selben Monat wurde die Exkommunikation wieder aufgehoben, weil der Täter gestanden und bereut hatte.

2022 untersagte der Jesuitenorden Rupnik die öffentliche Ausübung seines Priesteramts und ordnete weitere Auflagen an. Mitte Juni wurde er aus dem Orden ausgeschlossen, nachdem er die Auflagen anscheinend ignoriert hatte. Gegen den Ausschluss hatte der Priester keine Rechtsmittel eingelegt. Außerdem haben die Jesuiten ihre Verbindung zum "Centro Aletti" getrennt. (fxn)