Gruppierung "TFP" macht weltweit mobil – auch in Deutschland

Konservative machen Stimmung gegen Kirchenreform vor Weltsynode

Veröffentlicht am 23.09.2023 um 00:01 Uhr – Von Anita Hirschbeck (KNA) – Lesedauer: 

Rom ‐ Im Oktober tritt die Weltsynode in die heiße Phase. Erzkonservative Katholiken lehnen das Projekt ab. In einem Buch bewerben sie nun ihre Argumente – und teilen gegen den Synodalen Weg aus. Auch in Deutschland protestieren sie öffentlichkeitswirksam.

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Es droht nicht weniger als die Zerstörung der katholischen Kirche. Zumindest stellen es Vertreter des erzkonservativen und traditionalistischen Flügels ebendieser Kirche so dar. Bevor die vorerst wichtigste Etappe im bedeutendsten Projekt von Papst Franziskus an den Start geht, rüsten Franziskus-Gegner per Buch argumentativ auf – und teilen noch einmal ordentlich gegen den deutschen Reformprozess Synodaler Weg aus. Eine Konferenz aus derselben Ecke soll zudem in verschwörungstheoretischer Manier die Themen "Deep Church", "Deep State" und "Großer Neustart" behandeln.

Grund für die Untergangsszenarien ist die von Franziskus 2021 ausgerufene Weltsynode, zu der den ganzen Oktober hindurch eine erste zentrale Versammlung im Vatikan stattfinden wird. Das Thema der Synode - "Synodalität" – hat im ersten Moment wohl niemanden so recht vom Hocker gerissen. Mittlerweile ist allerdings klar, welche Sprengkraft hinter der technisch wirkenden Formel von der "Synode über Synodalität" steckt: Die rund 350 Teilnehmenden sollen unter anderem über den Umgang der Kirche mit den Themen LGBTQ, über Weiheämter für Frauen und den Zölibat sprechen.

"Ein Plan ist auf den Weg gebracht, die Heilige Mutter Kirche zu reformieren", warnen die Autoren Jose Antonio Ureta aus Chile und Julio Loredo de Izcue aus Peru in ihrem Buch "Der Synodale Prozess ist die Büchse der Pandora". Sollte dieser "Plan" vollständig durchgeführt werden, könne er die Grundfesten der Kirche umstürzen.

100 Fragen und Antworten

Zwei Gefahren machen die Autoren aus: Die Weltsynode könnte Kirchenhierarchien umkehren und Menschen, die laut katholischer Lehre in Sünde leben, etwa Homosexuellen, neue Rechte zusprechen. Beides rücken Ureta und Loredo de Izcue in die Nähe von Häresie. In ihrem in 100 Fragen und Antworten gegliederten Buch beantworten sie mehrfach Suggestivfragen mit einem eindeutigen "Ja", etwa ob Synodenbefürworter nach Schlupflöchern suchen, um gleichgeschlechtliche Beziehungen kirchenrechtlich zu legitimieren.

Unterstützung bekommen sie von Kurienkardinal Raymond Leo Burke, einem erklärten Franziskus-Kritiker. "Synodalität und sein adjektiv synodal sind zu Slogans geworden, hinter denen eine Revolution am Werke ist, um das Selbstverständnis der Kirche radikal zu verändern", schreibt Burke im Vorwort des Buchs, das von der Amerikanischen Gesellschaft zur Verteidigung von Tradition, Familie und Privateigentum (TFP) herausgegeben wird.

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Auch in Deutschland tritt die "Gesellschaft zur Verteidigung von Tradition, Familie und Privateigentum (TFP)" öffentlichkeitswirksam auf und bietet eine Übersetzung des Buches auf ihrer Internetseite an. Mit ihren roten Schärpen und großen Fahnen demonstrierten Mitglieder der Gruppe während des Synodalen Weges in Frankfurt. Auch bei anderen Veranstaltungen ist die Vereinigung zunehmend präsent. Sie verteilten reformkritische Flyer während der Heiligtumsfahrt in Aachen oder sorgten durch ihr ungewöhnliches Auftreten beim diesjährigen Marsch für das Leben in Köln für Aufsehen. Ebenso organisierten sie anlässlich des Segnungsgottesdienstes "All you need is love" auf dem Kölner Bahnhofsvorplatz einen "Öffentlichen Rosenkranz gegen Pseudosegnungen für LGBTQ+ Paare".

Eigenen Angaben zufolge befasst sich die Gruppe "mit der moralischen Krise, die die Überreste der christlichen Zivilisation erschüttert". Die Werte Tradition, Familie und Eigentum bilden demnach "einen Schutzwall gegen die marxistische, sozialistische und kommunistische Ideologie". Einer der Köpfe der 1960 gegründeten TFP-Mutterorganistaion ist der brasilianische Politiker und Publizist Plinio Correa de Oliveira (1908-1995). Die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils lehnte er vehement ab und stand in gutem Kontakt mit dem Gründer der traditionalistischen Piusbruderschaft Marcel Lefebvre.

Den extrem konservativen Gegenwind für die Weltsynode hat Papst Franziskus selbst angesprochen. Beim üblichen Plausch mit Angehörigen des Jesuitenordens Anfang August in Lissabon machte er eine Kampfansage an namentlich nicht näher genannte konservative katholische Gruppierungen in den USA. Ihnen warf der Papst vor, gut organisiert eine rückwärtsgewandte Ideologie in der Kirche verbreiten zu wollen. Dabei wiederholte er seine Vision einer Kirche, die niemanden ausschließt, und nannte dabei ausdrücklich Transpersonen als Betroffene.

Bild: ©Vatican Media/Romano Siciliani/KNA (Archivbild)

Papst Franziskus bekommt Gegenwind für seine Synodenpläne

Gegenüber Journalisten sagte er mit Blick auf die Weltsynode: "Wir haben unsere Türen geöffnet, haben allen ermöglicht, teilzunehmen und alle Anregungen berücksichtigt. Gemeinsam wollen wir eine Kirche bauen, in der sich alle zuhause fühlen und wo niemand ausgeschlossen ist (...) Es gibt keine Katholiken erster, zweiter und dritter Klasse." Seine Reden klangen wie eine Antwort auf die lauter werdende Kritik aus dem konservativen Lager im Vorfeld der Weltsynode.

Besonders eingeschossen haben sich Papst- und Synodenkritiker auf den Reformprozess Synodaler Weg der katholischen Kirche in Deutschland. "Dieser Weg konzentriert und belebt die extremsten Forderungen deutscher Progressiver", schreiben Ureta und Loredo de Izcue in ihrem Buch. Der Prozess sei elitär, aber einflussreich.

Tatsächlich hat der Vatikan Forderungen des Synodalen Wegs bislang zurückgewiesen, etwa nach der Errichtung von Synodalen Räten. Die TFP-Verfasser malen trotzdem schwarz: Angesichts extremer Ideen aus Deutschland könnten auf der Weltsynode faule Kompromisse getroffen werden, nach der Art "Frauen dürfen zwar nicht Priester werden, dafür schaffen wir den Zölibat ab". Die Autoren bestehen darauf, dass kein Vorschlag des Synodalen Wegs umgesetzt werden darf. Sonst handele es sich nicht mehr um die von Jesus Christus gegründete heilige, katholische und apostolische Kirche.

Gerhard Ludwig Müller und die Synodenkritik

Immer wieder beziehen sich Ureta und Loredo de Izcue auf den deutschen Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller, den Franziskus 2017 von seinem Posten als oberster Glaubenshüter im Vatikan absetzte. "Sie träumen von einer anderen Kirche, die nichts mit dem katholischen Glauben zu tun hat", sagte Müller vergangenen Oktober in einem Interview des katholischen Senders EWTN über Befürworter der Weltsynode. "Sie wollen diesen Prozess missbrauchen, um die katholische Kirche zu verschieben – und zwar nicht nur in eine andere Richtung, sondern in die Zerstörung der katholischen Kirche."

Der Name Kardinal Müller taucht derzeit auch in Einladungen auf: Beim zweitägigen "Rome Life Forum" wird er als einer der Hauptredner auftreten. Die "Strategiekonferenz" findet kurz nach dem zentralen Vatikan-Treffen in Rom statt. Die Weltsynode drohe, häretische Lehren über die Familie zu formalisieren, behauptet der Veranstalter Life Site News, ein konservativ-katholisches Online-Portal, das aus der kanadischen Anti-Abtreibungsbewegung entstand.

Die Konferenz will laut Life Site News "das Böse der Deep Church und des Deep State" sowie deren Verwicklungen in die "Great Reset Agenda" aufzeigen. Die Vorstellung, dass geheime Eliten in Staat und Kirche die Macht an sich reißen wollen, kommt klar aus dem Reich der Verschwörungserzählungen. Vielleicht kann ausgerechnet Kardinal Müller zur Versachlichung der Debatte beitragen: Er wird bei der zentralen Versammlung Weltsynode im Vatikan dabei sein – weil Papst Franziskus ihn persönlich als Teilnehmer berufen hat.

Von Anita Hirschbeck (KNA)