"Das ist, als ob er tatsächlich alle Marseillais zuhause besucht"

Papst beginnt Besuch in Marseille: Migration im Fokus

Veröffentlicht am 22.09.2023 um 19:20 Uhr – Lesedauer: 

Marseille ‐ Die Reise von Papst Franziskus nach Marseille ist kein Staatsbesuch. Am Flughafen wurde er dennoch von der französischen Premierministerin begrüßt. Und der Pontifex äußert sich bei seinem Kurzbesuch dezidiert politisch.

  • Teilen:

Papst Franziskus hat seinen Besuch in Marseille begonnen. Frankreichs Premierministerin Elisabeth Borne begrüßte das Kirchenoberhaupt am Freitagnachmittag bei strahlendem Sonnenschein und mit der Marseillaise am Flughafen. Der Papst bedankte sich mit einem französischen "merci, Madame".

Anlass der Reise ist der Abschluss des "Mittelmeer-Treffens" (Rencontres Mediterraneennes), bei dem Franziskus am Samstag eine Rede halten wird. Während des Aufenthalts, der kein offizieller Staatsbesuch ist, steht das Thema Migration im Mittelpunkt.

Während des Flugs prangerte Franziskus die schlechte Lage von Migranten an Europas Außengrenzen an. Auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa und anderswo herrsche "Grausamkeit, ein schrecklicher Mangel an Menschlichkeit", so der Papst vor mitreisenden Journalisten. Zuerst seien die Geflüchteten in libyschen Lagern gefangen; dann würden sie einfach ins Meer geworfen.

"Nur die Menschenwürde wird hier begraben"

Der Besuch begann begleitet von äußerst strengen Sicherheitsmaßnahmen. Mehr als 6.000 Sicherheitskräfte waren laut französischen Medien im Einsatz. Erster Programmpunkt war am Nachmittag ein Gebet in der Basilika Notre-Dame de la Garde. Dort ermutigte der Papst Priester und Ordensleute zu ihrem Dienst an den Menschen. Er forderte die Anwesenden auf, den Leidenden, Schwachen und Benachteiligten beizustehen und nahe zu sein. Im Anschluss stand ein Gedenken an ertrunkene Menschen im Mittelmeer mit Vertretern anderer Religionen und christlicher Kirchen auf dem Programm. Diese Station galt auch als Symbol – zehn Jahre nach Franziskus' Reise nach Lampedusa sowie zum Welttag der Migranten am Sonntag (24. September). 

Dabei verurteilte der Papst das Sterben von Migranten im Mittelmeer mit eindrücklichen Worten: "Wir befinden uns an einem Scheideweg der Zivilisation." Auf der einen Seite verlaufe der Weg der Geschwisterlichkeit; auf der anderen eine Gleichgültigkeit, die das Mittelmeer mit Blut beflecke. "Gewöhnen wir uns nicht daran, Schiffbrüche als Schlagzeilen und die Toten auf See als bloße Zahl zu betrachten", warnte der Papst. Das Mittelmeer sei zu einem riesigen Friedhof geworden, wo viele Menschen selbst des Rechtes auf ein Grab beraubt würden. "Nur die Menschenwürde wird hier begraben", sagte Franziskus. Die Migranten flöhen vor Konflikten, Armut und Umweltkatastrophen. In den Wellen des Mittelmeers werde ihre Suche nach einer besseren Zukunft endgültig abgelehnt.

Das Kirchenoberhaupt rief zu Taten auf. Menschenhandel, Folter, Schiffbrüche und ein "Fanatismus der Gleichgültigkeit" dürften nicht länger akzeptiert werden, sagte der Papst und forderte: "Menschen, die zu ertrinken drohen, wenn sie auf den Wellen ausgesetzt werden, müssen gerettet werden. Das ist eine Pflicht der Menschlichkeit, eine Pflicht der Zivilisation."

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Auch Maßnahmen gegen zivile Rettungseinsätze im Mittelmeer verurteilte das Kirchenoberhaupt scharf. "Viele von euch gehen ins Meer, um zu retten, um Migranten zu retten", sagte er. Die Seenotretter würden oft an ihren Rettungseinsätzen gehindert, auch unter dem Vorwand, am Boot stimme etwas nicht, sagte Franziskus. Dies seien "Gesten des Hasses".

Am Samstag hält Franziskus nach einer Begegnung mit Menschen in wirtschaftlich prekärer Lage am Morgen eine Rede zum Abschluss des "Mittelmeer-Treffens" im Palais du Pharo. Der Papst war bereits 2020 zum ersten "Mittelmeer-Treffen" nach Bari/Italien gereist; beim zweiten Treffen in Florenz 2022 war er verhindert.

Im Anschluss steht für Franziskus eine offizielle Begegnung mit Staatspräsident Emmanuel Macron auf dem Programm. Einen Staatsbesuch in Frankreich hat der 86-Jährige noch nicht absolviert. Bei seiner Tagesreise nach Straßburg 2014 hatte der Papst das EU-Parlament und den Europarat besucht.

"Das ist, als ob er tatsächlich alle Marseillais zuhause besucht"

Öffentlicher Höhepunkt der Visite ist am Samstagnachmittag die Messe im Velodrome-Stadion. Der Verein Olympique Marseille hat laut Kirchenangaben selbst angeboten, dass der Papst auf den Rasen des Club-Stadions kommt. "Das ist, als ob er tatsächlich alle Marseillais zuhause besucht", so Kardinal Aveline.

Das Stade Velodrome wurde für die Fußball-EM 2016 komplett umgebaut. Es ist das größte Vereinsstadion Frankreichs. Für jene, die keinen Platz im Stadion bekommen, sind im Außenbereich sowie in Fan-Zonen in verschiedenen Stadtteilen Großbildschirme zur Übertragung der Messe aufgestellt.

Nach dem Gottesdienst kehrt Franziskus am Abend nach Rom zurück. Marseille ist sehr wahrscheinlich seine letzte Auslandsreise 2023. Zuletzt war er zum Weltjugendtag nach Portugal und in die Mongolei geflogen. (cbr/KNA)