Wilmer gegen außergerichtliche Vergleiche mit Missbrauchsbetroffenen
Der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer spricht sich gegen außergerichtliche Vergleiche bei Klagen von Missbrauchsbetroffenen aus. In einem Interview in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Publik Forum" betonte der Bischof, dass bei außergerichtlichen Einigungen zwischen einem Bistum und einem Betroffenen eine unabhängige dritte Instanz fehlen würde. "Das halte ich für den falschen Weg, weil es etwas von Mauschelei hat", so Wilmer. Genau deshalb gebe es das Verfahren der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA): "Es ist bundesweit einheitlich und unabhängig, weil die Zahlungen an Betroffene durch ein unabhängiges und interdisziplinär besetztes Gremium festgelegt und angeordnet werden. Bilaterale Vergleichsverhandlungen zwischen einer betroffenen Person und dem Bistum Hildesheim würden dieses etablierte Verfahren beschädigen."
Hintergrund ist eine angekündigte Klage eines Missbrauchsbetroffenen gegen das Bistum, dem von der UKA eine Anerkennungsleistung in Höhe von 50.000 Euro zugesprochen wurde. Die Anwälte des Bistums hatten mitgeteilt – anders als das Erzbistum Köln in einem anderen Fall – die Einrede der Verjährung geltend zu machen. Wilmer verteidigte dieses Vorgehen: "Mit der Einrede der Verjährung wahrt das Bistum Hildesheim seine Rechte als Prozesspartei in der Zivilprozessordnung, nicht mehr und nicht weniger." In einem weiteren Verfahren bestehe immer noch die Möglichkeit, die Einrede nicht aufrecht zu erhalten. Die Einrede sei ein im Rechtsstaat vorgesehenes Instrument. "Ob es in einem möglichen Verfahren eine Rolle spielt oder nicht, wird sich zeigen. Das bedarf immer einer Abwägung aller Gesichtspunkte im konkreten Einzelfall", so Wilmer weiter. Bisher liege eine Klage ohnehin noch nicht vor.
Betroffene sollen nicht von Klagen abgehalten werden
Dabei gehe es Wilmer nicht darum, den Betroffenen von einer Klage abzuhalten: "Wenn es zu einer Klage kommen sollte, wird sich das Bistum Hildesheim diesem Verfahren stellen." Der Bischof legte Wert auf eine Unterscheidung der unterschiedlichen Vorgehensweisen bei gerichtlichen Prozessen und Anerkennungsleistungen auf Grundlage von Entscheidungen der UKA: "Das UKA-Verfahren legt freiwillige Zahlungen der Kirche für Missbrauchsbetroffene fest, ohne dass rechtliche Fragen dabei eine Rolle spielen."
Die UKA hat ihre Arbeit Anfang 2021 aufgenommen. Sie besteht aus Experten unterschiedlicher Disziplinen, die auf Grundlage einer Plausibilitätsprüfung den Bistümern die Höhe der zu leistenden Anerkennungszahlung an Missbrauchsbetroffene vorgeben. Grundsätzlich sind dabei Leistungen bis 50.000 Euro vorgesehen. Die Leistungen sollen sich laut der UKA-Ordnung "am oberen Bereich der durch staatliche Gerichte in vergleichbaren Fällen zuerkannten Schmerzensgelder" bewegen. Höhere Summen als 50.000 Euro sind mit Zustimmung der Bistümer möglich. Bisher hat nach UKA-Auskunft noch kein Bistum eine höhere Leistung abgelehnt. Nach dem Kölner Fall, in dem einem Betroffenen ein Schmerzensgeld in Höhe von 300.000 Euro zugesprochen wurde, kündigte die UKA an, das Urteil in ihrer Spruchpraxis zu berücksichtigen, so dass künftig höhere Anerkennungsleistungen zugesprochen werden könnten. Im Kölner Fall hat das Erzbistum darauf verzichtet, sich auf Verjährung zu berufen, so dass das Verfahren überhaupt erst möglich wurde. Am Verfahren der UKA gibt es auch grundsätzliche Kritik von Betroffenenvertretern. Eine Reform des Verfahrens lehnte die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) bei ihrer Vollversammlung in der vergangenen Woche ab. (fxn)