Kurienkardinal Czerny: Tradition ist dynamisch, nicht statisch
Der kanadisch-tschechische Kurienkardinal Michael Czerny (77) glaubt, dass die derzeitige Weltsynode im Vatikan die kirchliche Teilhabe von Frauen vorantreiben wird. Es brauche neue Wege, damit sich Frauen besser einbringen können. Was die biblische Sünderin Maria Magdalena damit zu tun hat, erläutert Czerny im Interview.
Frage: Herr Kardinal, wie blicken Sie auf den bisherigen synodalen Prozess?
Czerny: Die Synode ist eine wunderbare Herausforderung für uns als Kirche. Es ist nicht einfach – aber es lohnt sich auf jeden Fall, gemeinsam zu lernen, wie wir als Kirche besser funktionieren können, um den Auftrag zu erfüllen, den Jesus Christus uns anvertraut hat.
Frage: Welche Hoffnungen haben Sie?
Czerny: Dass wir die Kunst des Zuhörens, des Dialogs und der Konsensfindung auf betende und geschwisterliche Weise erlernen. Und dass wir angesichts vieler Fragen und Differenzen gemeinsam vorankommen.
Frage: Glauben Sie, dass dies die Struktur der katholischen Kirche auf lange Sicht verändern kann?
Czerny: Wir werden sehen. Aber Veränderungen werden die Frucht dieser synodalen Vorgehensweise sein. Wir brauchen Zeit. Die Ergebnisse sind nicht sofort sichtbar.
Frage: Im Vorfeld der Synode in Rom wurde in vielen Ländern die Forderung nach Gleichberechtigung der Frauen laut.
Czerny: Das zeigt, dass die Frauenfrage auf der ganzen Welt ein Anliegen ist. Es ist auch ein Beispiel dafür, dass der synodale Prozess am Werk ist. Die Synode ist nicht berufen, diese Fragen zu beantworten. Sie ist dazu berufen zu lernen, wie sie funktionieren kann. Es ist wie ein Experiment.
Frage: Glauben Sie, dass die Synode die Rolle der Frauen in der Kirche stärken wird?
Czerny: Der synodale Prozess hat dies bereits getan. Denn Frauen und Männer haben gleichberechtigt teilgenommen. Zudem: Frauen und Männer sind gleichberechtigt in der katholischen Kirche.
Frage: Warum haben Frauen dann keine Möglichkeit, zu den Weiheämtern zugelassen zu werden?
Czerny: Die Gleichheit der Geschlechter in der Kirche kommt nicht durch den Zugang zum Priesteramt, sondern von der Taufe. Die Taufe macht uns zu gleichwertigen Mitgliedern der Kirche; gleichwertig in jedem Aspekt der Teilhabe.
Frage: Dennoch: Berufene Frauen können keine Priesterinnen werden.
Czerny: Es herrscht noch immer eine altmodische Vorstellung, dass ein Priester oder ein Bischof irgendwie besser ist. Ihre Frage ist eine soziologische Frage, auf die die Kirche nur eine begrenzte Antwort geben kann, die Sie wahrscheinlich nicht glücklich machen wird. Das tut uns leid. Aber ich hoffe, dass Sie das wirkliche Leben, die wirkliche Kirche, in der Männer und Frauen die gleiche Würde haben und gleichberechtigt mitarbeiten, immer mehr zu schätzen wissen.
Frage: Ich erlaube mir nochmals nachzuhaken. Es gibt kein Recht auf die Priesterweihe. Aber die Berufung eines Mannes wird von der Kirche geprüft – die einer Frau nicht. Das ist doch eine strukturelle Diskriminierung.
Czerny: Nein, es ist keine strukturelle Diskriminierung. Es ist unsere Tradition, dass Frauen nicht Priester werden können. Und Tradition ist dynamisch. Sie ist fortlaufend. Sie ist nicht statisch.
Frage: In Kürze wird auf Spanisch ein Buch erscheinen, in dem viele Frauen von ihrer Berufung zur Priesterin berichten. Haben Sie jemals eine zur Priesterin berufene Frau getroffen?
Czerny: Vermutlich ja. Ich habe Frauen getroffen, die darüber nachdenken oder die sich an der Debatte beteiligen.
Frage: Wird die Synode dezentrale Lösungen zulassen?
Czerny: Ja, ich denke, einige lokale Unterschiede werden hervorgehoben werden. Wir haben bereits große Unterschiede in der Weltkirche. Zum Beispiel feiern Menschen in einem afrikanischen Land anders Eucharistie als in Europa. Das Wort 'katholisch' bedeutet 'allumfassend'. Es bedeutet nicht Uniformität. Es bedeutet, alle einzubeziehen.
Frage: Und wie ist das möglich?
Czerny: Wir leben bereits das 'Katholische', Vielfalt in der Einheit. Einige Unterschiede werden in Zukunft vielleicht zunehmen, und einige andere werden vielleicht abnehmen. Die Synode kann diesbezüglich Vorschläge oder Entscheidungen machen.
Frage: Sie sind Leiter der vatikanischen Entwicklungsbehörde. Die Hälfte Ihres Teams sind Frauen. Warum ist Ihnen das wichtig?
Czerny: Es sollten Personen eingestellt werden, die die Aufgaben hierfür am besten erfüllen können – unabhängig vom Geschlecht.
Frage: Ihre Behörde beschäftigt sich mit Menschenrechten. Wie kann die Rolle der Frauen in der Kirche verbessert werden?
Czerny: Zuallererst ist wichtig, dass sich Frauen in der Kirche zuhause fühlen. Es braucht neue, bessere Wege, wie Frauen sich in der Kirche einbringen können.
Frage: Im Neuen Testament gibt es die Apostelin Junia, die im Mittelalter zu einem Mann, Junias, umgewandelt wurde. Maria Magdalena wurde in der frühen Kirche 'Apostelin der Apostel' genannt. Und auch Papst Franziskus erkennt sie als diese an und hat sie liturgisch aufgewertet. Gleichzeitig sagt der Vatikan, dass es keine weiblichen Apostel gab. Was heißt das für die Frau von heute?
Czerny: Sobald man sagt, dass Maria Magdalena 'ein Apostel der Apostel' war, ist das ein Perspektivenwechsel, der sich nun besser in der Liturgie widerspiegelt. Der Wandel ist also im Gange.
Frage: Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) beschreibt die Kirche als 'ecclesia semper reformanda', als immer neu zu Reformierende. Gilt dieser Grundsatz noch heute?
Czerny: Ja. Die Kirche ist immer dabei, sich zu reformieren. Die Reformagenda ist nicht ein Moment, in dem jemand beschließt, eine Regel zu ändern. Eine Reformagenda ist Wachstum; das Leben der Kirche selbst. Und das spiegelt sich in der Lehre der Kirche wider. Die Reform hat nicht aufgehört; sie ist im Gange. Es wird neue Ergebnisse geben. Aber wenn man sich am Anfang eines Prozesses befindet – wie die Synode zur Synodalität –, kann man nicht sagen, was am Ende herauskommen wird.
Frage: Sie tragen ein einzigartiges Kreuz. Was steckt dahinter?
Czerny: Das Holz des Kreuzes ist aus einem zerstörten Flüchtlingsboot, das am Strand von Lampedusa lag. Es erinnert mich immer daran, den nach Hilfe rufenden Menschen in den Mittelpunkt zu stellen – wie Jesus es getan hat.
Hinweis
Jacqueline Straub ist Redakteurin des Schweizer KNA-Partnerportals kath.ch in Zürich.