Kardinal Schönborn: Änderung des Katechismus ist Sache des Papstes
Eine Änderung der offiziellen Kirchenlehre über gelebte Homosexualität ist nach Auffassung des Wiener Kardinals Christoph Schönborn allein Sache des Papstes. Vor Journalisten sagte Schönborn am Montag im Vatikan auf eine entsprechende Frage, bisher habe es erst eine Änderung am gültigen Katechismus von 1992 gegeben. Papst Franziskus habe 2018 die Ächtung der Todesstrafe in das Lehrbuch der katholischen Kirche eingefügt. Ob es weitere Änderungen geben werde, hänge allein am Papst, der den Katechismus verkünde und in Kraft setze, so der Kardinal, der vor mehr als 30 Jahren an der Formulierung des geltenden Katechismus beteiligt war.
Zum Thema Homosexualität und Sünde wies Schönborn darauf hin, dass Franziskus oft von der Frage der Schuldfähigkeit des einzelnen Menschen spreche. Es gebe eine Kluft zwischen der vorgegebenen objektiven Ordnung und der subjektiven Ebene des einzelnen Menschen, der immer sündig sei. Die Kirche müsse jeden Menschen mit seiner Begrenztheit und seiner Geschichte respektieren und begleiten. Bei der im Vatikan tagenden Weltsynode war wiederholt darüber gesprochen worden, wie die katholische Kirche künftig mit Menschen umgehen soll, die in gleichgeschlechtlichen Beziehungen leben. Mehrere Synodale hatten in diesem Punkt eine Änderung gefordert. Auf die Frage, welche Rolle die Theologie und das Denken der Gläubigen bei der Entwicklung der kirchlichen Lehre spiele, betonte Schönborn, die Lehre der Kirche sei unveränderlich. Aber es gebe eine Entwicklung und Vertiefung im Verständnis und in der Darstellung des Glaubens.
Lob für Arbeitsweise der Synode
Weiter lobte Schönborn die Arbeitsweise der Weltsynode. Die Methode der Synodalität sei "eindeutig richtig und notwendig", sagte der Erzbischof. Bei der Versammlung stehe Zuhören an erster Stelle; zudem gehe es um ein gemeinsames Unterscheiden. Dieses Vorgehen verändere die Situation tiefgreifend. Er habe vor kurzem mit dem US-Ökonomen und Politikberater Jeffrey Sachs über die Synode gesprochen, erzählte Schönborn weiter. Dieser habe gesagt, auch der Weltsicherheitsrat sollte nach Art und Weise der Synodalität arbeiten; dann gäbe es auf der Welt vielleicht etwas mehr Frieden. Im Sicherheitsrat höre niemand wirklich zu, kritisierte Schönborn. Dort trügen Vertreter die Vorgaben ihrer Regierungen vor, ohne wirklich in Austausch miteinander zu treten.
Der 78-jährige Schönborn hat bereits an acht Bischofssynoden teilgenommen. Bei der aktuellen Weltsynode im Vatikan ist er stimmberechtigtes Mitglied im Synodenrat, einer Art Ältestenrat. Die Arbeitsmethode dieser Versammlung sei die beste, die er je erlebt habe, sagte der Kardinal. Synodalität sei für ihn der Weg, um Gemeinschaft zu leben; "die Kirche ist Gemeinschaft", so Schönborn. Er erinnerte an das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) und das Dokument "Lumen gentium" über ein neues Selbstverständnis der Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen. Am Ende des Zweiten Vatikanums sei er ein 20-jähriger Theologiestudent gewesen, berichtete Schönborn weiter. Der Theologe Karl Rahner (1904-1984) habe damals gesagt, das ganze Konzil sei vergebens, wenn daraus nicht ein Mehr an Glaube, Hoffnung und Barmherzigkeit hervorgehe. "Ich würde das gleiche für diese Synode sagen", so Schönborn.
Zudem wünschte sich Schönborn mehr sichtbare Zusammenarbeit der Bischöfe auf europäischer Ebene. Der Rat der europäischen Bischofskonferenzen CCEE habe es nicht geschafft, dasselbe Potenzial zu entwickeln wie die kontinentalen Bischofsräte in Asien oder Lateinamerika, sagte der Kardinal. "Wir sind ein bisschen hinten dran geblieben in der gelebten Synodalität zwischen den lokalen Kirchen in Europa. Ich denke, wir brauchen eine Anregung, um noch weiter zu gehen." So hätten es die Bischofskonferenzen in Europa beispielsweise bis heute nicht geschafft, ein gemeinsames Wort über das Drama von Migration und Flucht zu formulieren, kritisierte Schönborn. Das sei traurig, zumal die Politik zu einer gemeinsamen Stellungnahme nicht fähig sei. (tmg/KNA)