Warum auch in den USA Pfarreien zusammengelegt werden
Die Zahl der Katholiken in Deutschland sinkt, die der Priester auch. Also werden vielerorts Kirchenstrukturen umorganisiert: Gemeinden werden zusammengefasst, Großpfarreien entstehen. Das bedeutet oft große Einschnitte für die Gläubigen – wie zuletzt die Auseinandersetzungen um Pfarreireformen in den (Erz-)Bistümern Köln, Aachen und Trier zeigten. Doch auch anderswo brodelt es.
Denn Pfarreizusammenlegungen sind kein rein deutsches Phänomen. Auch in den USA muss sich die Kirche neu aufstellen, oft aus ähnlichen Gründen wie in Mitteleuropa: Denn auch dort laufen der katholischen Kirche die Mitglieder davon. Sie ist mehr als alle anderen Glaubensgemeinschaften von Konfessionswechseln betroffen. 13 Prozent aller Menschen in den USA sind laut Zahlen des Pew Research Centers ehemalige Katholiken und rechnen sich jetzt etwa den Protestanten oder aber auch der Gruppe der Konfessionslosen zu. Dagegen sind nur zwei Prozent der Katholiken Konvertiten aus anderen Gemeinschaften. Zudem wünschen sich viele Reformen: 60 Prozent möchten, dass Priester heiraten dürfen – und dass auch Frauen geweiht werden können, ebenso viele möchten wiederverheirateten Geschiedenen den Zugang zur Eucharistie ermöglichen. Außerdem sind viele mit dem Umgang mit Missbrauch in ihrer Kirche unzufrieden.
Die Folgen davon zeigen sich beispielsweise in Plänen aus dem Bundesstaat Illinois, die im Oktober publik wurden. In der Diözese Peoria sollen Pfarreien zusammengeschlossen werden, weil der Kirchgang zurückgeht, in manchen Kirchen um mehr als 60 Prozent verglichen mit 2015. Fünf Pfarreien sollen zu einer großen zusammengefasst, eine weitere aus drei bisherigen gebildet werden. Damit eingeht geht, dass in weniger Kirchen regelmäßig Messe gefeiert wird, in allen Kirchen sollen zudem die Gottesdienstpläne überarbeitet werden, es könnte also generell weniger Messangebote geben. Fünf Kirchen werden wohl ganz geschlossen.
In einer Stellungnahme, die Bischof Louis Tylke abgab, schien das gleiche Muster durch, das sich auch bei seinen deutschen Kollegen findet. "Die Welt, in der wir heute leben, ist anders als die vorheriger Generationen", sagte er dem Portal "Catholicvote". Das heißt im Klartext: Weniger Priester, weniger Katholiken, weniger Kinder. Man müsse "neue Wege finden, die Menschen mit der frohen Botschaft zu erreichen", so Tylka.
Weniger Messbesucher, weniger Personal
Umgesetzt wurde ein solches Vorgehen schon von Erzbischof Leonard Blair im Erzbistum Hartford. Durch ein Dekret fasste er zum 1. Juli dieses Jahres acht Gemeinden in der Stadt New Haven zu einer Pfarrei zusammen. Grund auch hier: Weniger Messbesucher, weniger pastorales Personal
Die Kirchen sollen aber alle offen bleiben, betonte er, im kirchlichen Alltag soll sich nichts ändern. Auch personell soll es "nicht sofort" Änderungen geben, teilte Stadtpfarrer Ryan Lerner mit. Lerner geht – wie in Deutschland auch – von einem längeren Prozess der Annäherung der Gemeinden aus. "Das Größte und Wichtigste und Herausforderndste ist, eine Kultur der Einheit zu schaffen", sagte er.
„Wir müssen alle ein Opfer bringen, um unsere Kirche auch in Zukunft lebendig zu halten.“
Was bei sehr unterschiedlichen Gemeinden, die da zusammengeschlossen wurden, nicht einfach sei. Es gibt eine schwarze Gemeinde, eine für Latinos, drittmeist genutzte Gottesdienstsprache in der Stadt ist Polnisch. Durchaus eine Herausforderung. In der US-Kirche ist das kein Einzelfall, denn verschiedene Ethnien spielen dort eine Rolle. Sechzig Prozent der Katholiken sind laut einer Pew-Erhebung Weiße, ein Drittel hispanischer Abstammung, dazu kommen kleinere Prozentzahlen schwarzer und asiatischstämmiger Katholiken (jeweils drei Prozent).
Wie in Deutschland gibt es in den USA wegen der Zusammenlegungen auch Streit. So im Erzbistum St. Louis: Nachdem Erzbischof Mitchell Rozanski im Rahmen seines Projekts "All Things New" die Zahl der Pfarreien von 178 zu 135 reduzieren wollte, legten einige der betroffenen Gemeinden Beschwerde beim vatikanischen Klerusdikasterium ein, berichtet der "St. Louis Post-Dispatch". Zwei der Einsprüche wurden abgelehnt, zwei andere jedoch nicht. Diese Schließungen werden vom Vatikan nun überprüft.
Corona-Pandemie und Missbrauchsskandal
Zusammenlegungen sind auch im Bistum Erie im Nordosten des Landes geplant. "Wir müssen alle ein Opfer bringen, um unsere Kirche auch in Zukunft lebendig zu halten", sagte Bischof Lawrence Persico den "Erie Times-News" im August. Pfarreien sollen entweder verschmelzen oder enger zusammenarbeiten. Die Gründe auch hier: Rückgang der Messbesucher um 43 Prozent zwischen 2010 und 2022, weniger Priester, Renovierungsrückstand vieler Kirchen. Laut Persico hat sich die Situation durch die Corona-Pandemie und den Missbrauchsskandal verschärft.
Letzteres hat in den USA deutlichere Folgen als in Deutschland. Denn wo höhere Schmerzensgelder gezahlt werden, ist eine Diözese auch schonmal zum Immobilienabbau gezwungen. So etwa im Erzbistum New Orleans. Hier sollen sieben Kirchen geschlossen und Pfarreien zusammengeschlossen werden. Der Grund: Die Diözese muss mindestens 100 Millionen Dollar an Missbrauchszahlungen leisten, berichtet das Portal "Nola". Betroffen sind 13 Pfarreien. Welche, das wurde anhand von Bevölkerungskennzahlen ausgesucht. Es trifft vor allem Orte mit alternder oder weniger finanzstarker Bevölkerung. Es geht also ums Geld, gab auch Erzbischof Gregory Aymond zu: "Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Wirbelstürme in den letzten zehn Jahren, die Corona-Pandemie, die Herausforderungen des Hurrikans Ida, die Inflation und die in die Höhe geschnellten Preise für Gebäudeversicherungen betreffen unsere Kirchengemeinden ebenso wie unsere Familien und Unternehmen". Das Erzbistum ging bereits 2002 bankrott, nachdem es immer mehr Missbrauchsklagen gegeben hatte.
"Jahrzehntelang hat die Erzdiözese einfach Rechnungen bezahlt, die nicht bezahlt werden konnten, oder Schulden erlassen, die auf Pfarrei-Ebene nicht beglichen werden konnten", so Aymond weiter. Das aber könne man sich schlicht nicht mehr leisten.
In den USA bekommen Missbrauchsbetroffene im Durchschnitt 300.000 zugesprochen. In Deutschland ist das – bislang – noch nicht so, in eine derartige finanzielle Bedrängnis kam eine deutsche Diözese wegen Anerkennungszahlungen deshalb noch nicht. Nach einem Urteil des Landgerichts Köln im August könnte sich das aber noch ändern. Es sprach einem Mann 300.000 Euro Schmerzensgeld zu, das war in Deutschland ein Novum. Möglich also, dass sich Folgen für die Kirche in den USA auch mittelfristig in Deutschland wiederfinden.