Studie: Religiosität und Vertrauen in Kirche nehmen weiter ab
Die religiöse Bindung und das Vertrauen der Menschen in die Kirchen nehmen in Deutschland weiter ab. Viele Kirchenmitglieder denken über einen Austritt nach. Das ergab eine am Dienstag vorgestellte Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung. Neben der evangelischen Kirche, die seit 1972 alle zehn Jahre eine solche Studie vorlegt, hat sich erstmals auch die katholische Kirche daran beteiligt.
Für fast 8 von 10 der insgesamt 5.282 Befragten hat Religion überhaupt keine (38 Prozent) oder nur wenig (40 Prozent) Bedeutung. Selbst unter den Kirchenmitgliedern verstehen sich nur noch 4 (katholisch) und 6 Prozent (evangelisch) als gläubig und kirchennah. Immerhin 36 (33) Prozent sagten: "Ich fühle mich der Kirche verbunden, auch wenn ich ihr in vielen Dingen kritisch gegenüberstehe."
9 Prozent aller Befragten erklärten, sie hätten noch Vertrauen in die katholische Kirche, bei der evangelischen Kirche waren es 24 Prozent. Das Vertrauen zur katholischen Kirche ist dabei nur unwesentlich größer als das zum Islam. 43 Prozent der katholischen und 37 Prozent der evangelischen Mitglieder werden in der Untersuchung als "austrittsgeneigt" eingestuft. Die evangelische Kirche profitiert dabei nicht von der Unzufriedenheit vieler Menschen mit der katholischen Kirche. Die meisten, die austreten, treten nicht zu einer anderen Kirche über.
Nicht gleichgültig gegenüber den Kirchen
Die Studie zeigt aber auch, dass die Menschen nicht gleichgültig gegenüber den Kirchen eingestellt sind, sondern sich Reformen wünschen. Unter anderem sagten 96 Prozent der katholischen und 80 Prozent der evangelischen Mitglieder, ihre Kirche müsse sich grundlegend verändern, wenn sie eine Zukunft haben wolle. Auf katholischer Seite wurden dabei etwa die Segnung homosexueller Partnerschaften, die demokratische Wahl kirchlicher Führungspersonen und mehr Rechte für Frauen gefordert.
Nicht nur die Mitglieder erwarten zudem soziales Engagement von den Kirchen: Unter anderem wünscht eine ganz große Mehrheit aller Befragten, dass die Kirchen soziale Beratungsstellen unterhalten, sich für Geflüchtete einsetzen und für mehr Klimaschutz. Was noch auffällt: Viele der Befragten erinnern sich gerne an ihr früheres kirchliches Engagement und messen diesem eine große Bedeutung für ihr Leben zu. Außerdem ist das gesellschaftliche Engagement unter religiösen und kirchennahen Menschen deutlich höher als im Rest der Gesellschaft. Zum Beispiel berichteten 49 Prozent der Katholiken und 46 Prozent der Protestanten, aber nur 33 Prozent der Konfessionslosen von ehrenamtlichen Tätigkeiten im vergangenen Jahr.
Die Kirchen befinden sich insgesamt in einer großen Krise. 2022 waren erstmals nur noch weniger als die Hälfte der Bundesbürger Mitglieder. Die Zahl der Austritte erreichte ein neues Rekordhoch – auch wegen der Missbrauchsfälle und anderer Skandale. (KNA)